‘The Knick’s’ Production Designer Explains How He Re-created 1900s New York

by cinemaclaco

‘The Knick’s’ Production Designer Explains How He Re-created 1900s New York.

(Es ist interessant wie wenig man über den eigentlichen Arbeitsprozess in dem Variety-Artikel erfährt; durch einen Anruf – selbst einen von Soderbergh – stehen ja noch keine Kulissen im Studio.)

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Die Arztserie THE KNICK spielt in den zehner Jahren des 20. Jahrhunderts in einem vom real existierenden Harlemer Knickerbocker Hospital inspirierten Krankenhaus. Von Steven Soderbergh inszeniert und unter seinen zwei Künstlernamen geschnitten und fotografiert, ist das Period Drama ganz auf den britischen Star (und Produzenten) Clive Owen ausgerichtet, der den exzentrischen, genialischen und Opiumabhängigen Chefarzt Dr. John W. Thackery eher beiläufig, wenig witzig und ziemlich uncharismatisch spielt. Eindrucksvoller als die für Serien üblichen Verwicklungen von Privat- und Berufsleben und die typischen Entwicklungen von Stereotypen zu runden Charakteren ist das liebevolle Production Design dieser Serie, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat uns darüber aufzuklären wie sehr der Beginn der neuen Medizin von langen trial and error-Phasen bestimmt war. Das Motto der Serie lautet folglich auch: „Modern medicine had to start somewhere.“ Dieser Aspekt der Serie sorgt dann auch immer wieder für blutigere Momente.

Mein Problem mit der Serie ist, dass ich in keiner einzelnen Sequenz das Gefühl habe am Arbeitsalltag um 1913 teilzunehmen. Die Schauspieler sehen nicht aus wie Menschen um 1913. Woher ich das wissen will? Der amerikanische Fotograpf und Galerist Alfred Stieglitz (Photo: dritter von rechts) hatte in dieser Zeit ein Magazin namens Camera Work herausgegeben, in der zeitgenössische Fotografien abgedruckt waren und die damals virulente Frage – ob Fotografie Kunst sei oder nicht – diskutiert wurde. Studiert man Portraits aus dieser Zeit so wird deutlich, dass die Menschen und ihre Gesichter aus einer verloren gegangenen Zeit stammen. Sie scheinen ruhiger, glatter, melancholischer und …

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Schnurrbärte und Melonen oder aber Korsetts und Dutts hin oder her, die Schauspieler und Statisten von THE KNICK schauen zurechtgezimmert aus. Vielmehr muten sie so an, als seien sie im dem Jahr 2015 in eine Zeitmaschine verfrachtet worden und im Jahr 1913 in New York wieder ausgestiegen. Was ja letztlich auch den Produktionsbedingungen dieser Serie entspricht. Ich bin jedoch überzeugt, dass Frauen wie Männer sich damals anders verhalten, anders bewegt und auch anders gestikuliert haben. So schafft das perfekte Setdesign von Jack Amiels und Michael Beglers Serie einen Rahmen, der von den Drehbuchautoren, den Castingverantwortlichen und den Schauspielern  – zumindest in den ersten beiden Episoden der ersten Staffel – nicht überzeugend genug ausgefüllt wird.

Bis Di, den 16.09. läuft die erste Season von THE KNICK immer dienstags ab 22:30 auf ZDF neo.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb bzw. Rechteinhaber

Kulturtipp: OFF EUROPA: CROATIA-Filmabend am 20.09.2015

by cinemaclaco

Zagrebačke priče 2 – Ljubav – Zagreb Stories Vol. 2

Regie: Hana Veček, Sara Hribar, Aldo Tardozzi, Ivan Sikavica, Josip Visković, Radislav Jovanov Gonzo • Kroatien, Slowenien 2012 • 100 min. • OmeU

Kruške – Pears (Hana Veček, Kroatien 2012)

Od danas do sutra – From One Day To Another (Sara Hribar, Kroatien 2012)

Mucica – Sweetie (Aldo Tardozzi, Kroatien 2012)

Sin – Son (Ivan Sikavica, Kroatien 2012)

Može neko bacit čik odozgo – Someone Might Drop a Cigarette Butt (Josip Visković, Kroatien 2012)

Na kvadrat – Squared (Radoslav Jovanov Gonzo, Kroatien 2012)

Von schwierigen Beziehungen, überbehütenden Eltern, Eifersüchteleien aber auch der vertrauten Komplizenschaft zwischen Paaren, von Abschieden und Neuanfängen handelt dieser Omnibusfilm. Die Filmerzählungen von Zagreb Stories Vol. 2 stehen ganz im Zeichen der Liebe und zugleich sind sie eine poetische Liebeserklärung an die Hauptstadt Kroatiens. Dort wird geliebt und gelitten, viel getrunken, deftig geflucht und gestritten. Die Lebensphilosophie der meisten Figuren dieses Kompilationsfilms lässt sich wie folgt auf einen Nenner bringen: „Alles was Du im Leben brauchst, sind genug betrunkene Nächte. Nicht zu wenige aber auch nicht zu viele.“

Cinémathèque in der naTo, 20.09.2015 19:00 mit Einführung

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Vis-à-vis

Regie: Nevio Marasović • Kroatien 2013 • 81 min. • OmeU

Die pragmatische Produzentin (Daria Lorenci) holt den Jungspund von Regisseur (Rakan Rushaidat) auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Kosten zuliebe solle er doch sein Skript kürzen, den Drehort Vis aufgeben und – wen er schon dabei ist – seine Casting-Entscheidungen nochmals überdenken. So zieht sich der ziemlich verunsicherte Regisseur mit seinem Wunsch-Hauptdarsteller (Janko Volarić Popović) im Schlepptau auf die kroatische Insel Vis zurück. Dort sitzen sie zumeist vis-à-vis zusammen und gehen das Drehbuch durch. Bald machen den beiden Großstädtern die Kühle des Winters und die Isoliertheit der Insel zu schaffen. Im Laufe der Zeit erschweren zudem künstlerische Unterschiede und private Konflikte die geplante Arbeit.

Nevio Marasovićs Film wirft Fragen zur Produktion von Filmen und zur Erschaffung von Kunstwerken im Allgemeinen auf: Muss eine künstlerische Idee merkantil umsetzbar sein? Ist der Inhalt eines Films wichtiger als seine Form? Imitiert das Leben die Kunst? Welche Regeln gelten für den Film und welche für das Leben? Ohne großes Budget gedreht und improvisierend gespielt überzeugt der Film als selbstreflexive Dramödie, die sich mit künstlerischen Prozessen und den Komplikationen zwischenmenschlicher Beziehungen beschäftigt. Vis-à-vis funktioniert ästhetisch und inhaltlich gleichermaßen und gilt zu Recht als der innovativste Film, der in der letzten Dekade in Kroatien entstanden ist.

Cinémathèque in der naTo, 20.09.2015 21:15 Uhr mit Einführung

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb

Kulturtipp: 14.8. AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT arte 20:15

by cinemaclaco

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit oder im Original À la recherche du temps perdu ist ein mehrbändiger französischer Roman von Marcel Proust. Die Recherche wird als der letzte Traum der Belle Epoque und zugleich als erster Roman der Moderne verstanden. Dieses Werk konnte in seiner stilistischen Ambivalenz vermutlich nur an der Schnittstelle zwischen den Jahrhunderten entstehen; der Einfluss beider Epochen ist spürbar. Obwohl der Zustand der Pariser Faubourg-Gesellschaft der Belle Époque auf eine Art dokumentiert, parodiert und enthüllt wird, die in ihrer literarischen Verarbeitung an die großen Romane des 19. Jahrhunderts erinnert, geschieht dies in einer Modernität, die sich v.a. im Schreibstil Prousts und seinen literarischen Novationen manifestiert. Die Recherche sprengt mit ihrer – einem Epos ähnlichen – Handlung, die sich über mehrere Familien, Salons und Clans erstreckt, bis heute alle literarischen Maßstäbe. Ihre écriture beeinflusste und hemmte zugleich so einzigartige Literaten wie Virginia Woolf, Samuel Beckett, Graham Green und Walter Benjamin in ihrer schriftstellerischen Produktion. Es ist die außergewöhnliche Behutsamkeit, mit der Proust vor den Augen der Lesenden Bilder entstehen lässt und deren absolute Genauigkeit, sowie der zirkuläre Aufbau von Ideen, Vergleichen und Handlungsabläufen, welche Prousts Stil charakterisieren.

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Aufgrund der Seitenanzahl des Opus Magnum lassen sich leider viel zu wenig Leser für die Recherche gewinnen. Aber diejenigen, die über In Swanns Welt hinauskommen, sind für immer in Prousts Bann gezogen. Als überzeugte Proustianerin kann ich die Lektüre der themenreichen Recherche jedem empfehlen. Egal ob man sich für Mode, Malerei, den Ersten Weltkrieg, Fotografie oder Film interessiert oder aber von Eifersucht geplagt ist die Recherche greift all diese Themenkomplexe innerhalb der Handlung oder als Vorlage für die besonders treffenden Vergleiche – die das Herzstück von Prousts Stil sind – auf.

Der heutige Kulturtipp führt uns daher wahlweise in die Glotze oder ins Internet zu arte +7, der Mediathek des deutsch-französischen Kultursenders. Ab 20:15 zeigt die kleine Leinwand das mutige Fernsehprojekt von Nina Companeez. Noch nie wurde Marcel Prousts über 4000 Seiten starker Romanepos Auf der Suche nach der verlorenen Zeit komplett verfilmt. Visconti träumte davon, wurde aber erst aus amourösen dann aus gesundheitlichen Gründen davon abgehalten. Volker Schlöndorff hat nur den ersten Band verfilmt und zwar so, dass er v.a. bei Fans von Ornella Muti und Alain Delon großen Anklang findet. Chantal Akerman hat mit La Captive eine kongeniale Verschränkung der beien Albertineromane vorgelegt. Und Raúl Ruiz hat sich – alle wesentlichen Proustschen Sehdispositive wie die Laterna Magica, das Stereoskop oder den Photoapparat mit Magnesiumblitz aufgreifend –  exklusiv des letzten Bandes der Recherche angenommen. Um sich für Nina Companeez‘ mehrstündige Romanverfilmung aus dem Jahr 2010 stilecht zu stärken, empfehle ich zuvor mehr als nur Lindenblütentee und Madeleines zu sich zu nehmen.

14.8. 20:15 arte AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT Teil 1

14.8. 22:10 arte AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT Teil 2

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Rechteinhaber


 

Guilty Pleasure # 4: PAN AM

by cinemaclaco

Ohne die genauen Produktionszeiträume recherchiert zu haben, würde ich behaupten, dass Pan Am im Fahrwasser von anderen Period-TV-Serien wie Mad Men, Magic City oder The Hour entstanden ist.

Pan Am ist jedoch mehr als nur Retrochic, es ist eine Hommage an die Zeit, als Fliegen noch ein Luxus war, als Frauen sich damenhaft kleideten und Filme wie Roman Holiday – Ein Herz und eine Krone (William Wyler, USA 1953) in den Kinos liefen.

Bleiben wir gleich mal bei den filmischen Einflüssen von Spielfilmen auf Serien und konkret bei Pan Am. In der Episode „New Frontiers“ (oberes Photo) wird Wylers in Rom angesiedeltes romantisches Drama zur Vorlage für den Plot als auch für die Ausstattung genommen. Die Stewardesse Colette (Karine Vanasse) lernt während eines Fluges nach Rom einen Unbekannten kennen, der verdächtig leichtfüßig und spontan zu reisen gedenkt. Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass Omar, der aparte Unbekannte, anders als verdächtigt kein handfester Zigarettenschmuggler sondern vielmehr einer fernen Monarchie entflohen ist, um frei von den üblichen Zwängen einen Tag in Rom – auch gerne Vespa fahrend – zu verbringen. Diese von Piter Marek gespielte Figur ist direkt an den von Audrey Hepburns Rolle durchlebten Befreiungsakt in Ein Herz und eine Krone (unteres Photo) angelehnt. Colettes Kostüme hingegen sind von Audrey Hepburns privater Garderobe als auch von den Kleidern aus Breakfast at Tiffany’s – Frühstück bei Tiffanys (Blake Edwards, USA 1961) inspiriert.

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Was die erfolgreichere Serie Mad Men anbelangt, so widmet das New Yorker Museum of the Moving Image der Serie aktuell und noch bis zum 6. September eine eigene Ausstellung, in der Requisiten (wie Betty Drapers Küche, sh. Photo) und Kostüme ausgestellt werden. In diesem Rahmen werden aber auch Spielfilme, die Matthew Weiners Schaffensprozess kreativ beeinflusst haben gezeigt.

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Was der Serie Pan Am sehr elegant und nahezu beiläufig gelingt, ist einen Abriss US-amerikanischer Zeitgeschichte zu geben. Es mutet nie unplausibel an, wenn sich die Wege der Stewardessen etwa mit John F. Kennedy während eines Ausflugs nach Berlin kreuzen. Letztlich würde man der Serienerzählung überall hinfolgen, denn Pan Am wird von seinen charismatischen Schauspielerinnen – allen voran Kelli Garner (oberes Photo) und Karine Vanasse (unterer Still) in allen Drehbuchsituationen sehenswert getragen.

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Ein interessanter Aspekt dieser Serie, die so großen Wert auf die perfekte, authentisch zeitgemäße Innenausstattung der Kulissen – v.a. der Pan Am Airlines – legt, ist wie wenig sie den Ablauf des zeitgenössischen Boardings–Prozesses widerspiegelt. In den 1960er Jahren liefen die Passagiere m.E. direkt auf das Rollfeld. In Pan Am durchlaufen sie hingegen mehrere Kontrollen. Mir scheint, dass hier eine Übertragung von heutigen Verhaltensmustern vorliegt, damit die Zuschauer das „System Flughafen“ wiedererkennen. Ähnlich wie bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen wird das Aufgebot an Sicherheitsmännern für JFK in Berlin inszeniert. Letzteres erinnert stark an den Personenschutz bei Auftritten von Barack Obama. Nun die Serie ist nach 9/11 entstanden.

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In einem anderen Punkt funktioniert dieser kulturgeschichtliche Transfer jedoch ziemlich gut. Die Flugbegleiterinnen von Pan Am hatten damals den Status und Einfluss von heutigen Top Models. So scheint der cat walk-inspirierte Gang, den die Schauspielerinnen in jeder einzelnen Szene hinlegen als auch die ziemlich verkrampfte Angewohnheit Handtaschen – nicht in der Hand wie in den 1960er Jahren üblich – sondern in der Ellenbeuge zu tragen vor diesem Hintergrund plausibler.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb

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PS: Alle erwähnten Serien und Spielfilme kann man in Leipzig in der Programmvideothek memento. entleihen.

GEREIST: Club A im Zoo Palast

by cinemaclaco

Es gibt einige Kinos, denen ich auf Anhieb mein cinephiles Herz geschenkt habe. Heute hat sich der Club A auf die Liste meiner Lieblingskinos gesellt. Dort steht er nun einträchtig neben dem Pariser Le Champo, der Schaubühne Lindenfels in Leipzig, dem Louis Hartlooper Complex in Utrecht und zwischen dem in Notting Hill gelegenen Electric Cinema und dem coolen Kino Aero in Prag. Wobei der Club A im Zoo Palast in Berlin sicherlich einfacher zu erreichen bzw. von nun an häufiger aufzusuchen ist als manch anderes Lichtspielhaus aus diesem illustren Kreis. Im Foyer des Lichtspielhauses wird kontinuierlich … und dann kam der Zoopalast ( Sh. https://vimeo.com/80875280) von Britta Wauer abgespielt. So kann man erfahren, dass es sich um einen Neubau des Architekten Gerhard Fritsche aus den späten 1950er Jahren handelt, der von Anbeginn an als Premierenkino und als Spielstätte für die Berliner Filmfestspiele genutzt wurde. Das Who is Who des Nachkriegskino schreitet in den schwarzweißen Wochenschauaufnahmen über den roten Teppich: Sophia Loren, James Mason, Richard Widmark und viele andere. Auch heute noch strahlt der Palast vom Kassenhäuschen, über Bar und Säle bis hin zur Garderobe eine zeitlose Eleganz aus. Kurz man fühlt sich tatsächlich „Herzlich Willkommen“ wie einladend in großen Lettern über dem Eingang geschrieben steht.

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Der Club A scheint in seiner Ausstattung einmalig. Wo sonst trifft eine Bibliothek auf einen Kinosaal in plüschiger Bar-Atmosphäre? Gipfel des Komforts sind die ausfahrbaren Sessel auf Gartenstuhllänge, die ein bequemes Filmerlebnis garantieren.

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Und noch wichtiger: Die digitale Projektion – das hat ein direkter Vergleich des Abspiels zweier DCPs des gleichen Films ergeben – ist im Zoo Palast um Längen besser als im Leipziger Cinestar.

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© der Bilder bei cinemaclaco

QUEEN OF THE DESERT: or Shall I say … of Botox?

by cinemaclaco

Zu ihren Lebzeiten galt sie als mächtigste Frau der Welt und ihre Taten wirken weit über ihren Tod hinaus. Welch bittere Ironie ist es da, dass ausgerechnet die britische Archäologin, Historikerin, Schriftstellerin, Alpinistin, politische Beraterin und Spionin Gertrude Bell (1868 – 1926) mit einer ihrer wenigen Fehleinschätzungen einen guten Teil des Zündstoffs für das heutige Pulverfass im Nahen Osten lieferte. Indem sie als Vertraute von Stammesfürsten und Königen bei der territorialen Neuordnung der Region nach dem Ersten Weltkrieg die Interessen der von ihr unterschätzen Schiiten verletzte, provozierte sie unfreiwillig Begehrlichkeiten, die auch in der Gegenwart noch für Ärger, Chaos und Krieg sorgen. Arthouse-Legende Werner Herzog („Aguirre, der Zorn Gottes“) setzt dieser starken Persönlichkeit in seinem 2015er Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Königin der Wüste“ nun ein filmisches Denkmal, wobei ihn das schwierige politische Erbe seiner Protagonistin nur in zweiter Linie interessiert. Vielmehr ist das bildgewaltige Historien-Drama eine weitere Charakterstudie einer außergewöhnlichen Persönlichkeit: ein Gemälde in Bewegung mit ganz eigenem Ton und Rhythmus sowie einem Schuss Wahnsinn – ein typischer Herzog eben. (Filmstarts)

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Werner Herzogs neuester Film ist das Wüstenepos QUEEN OF THE DESERT. Unerklärlich mutet darin nicht nur das Casting von Nicole Kidman als Gertrude Bell, einer der bekanntesten Reisenden, Übersetzerinnen, Spioninnen und im wahrsten Sinne des Wortes Kulturvermittlerinnen des 20. Jahrhunderts an.

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Vermutlich handelte es sich um ein Projekt, welches der Schauspielerin so sehr am Herzen lag, dass sie sich die Filmrechte gesichert hatte und es dann nicht ertragen konnte einer Anderen diese Rolle zu überlassen. Und Werner Herzog scheint diesem Ansinnen nachgegeben zu haben, weil ihm der Stoff aus der eigenen Filmografie vertraut und somit wichtig war. Außerdem lässt sich die Produktion mit einem A-Klasse-Star immer leichter bewerkstelligen. Es ist anzunehmen, dass sich das Projekt mehrfach und zum Schlechteren verändert hat. Das fertige Produkt ist überlang geraten und insgesamt eine Aneinanderreihung von kitschigen Standardsituationen, gähnender Leere und Albernheiten. Auch wird Gertrude Bells facettenreiches Leben recht konventionell und unter einem rein amourösen Blickwinkel nachgezeichnet. Wäre ein solcher Ansatz bei einem Biopic über den ebenfalls in dem Film auftauchenden Winston Churchill denkbar? Christopher Fulford als Selbiger hat nebenbei angemerkt einige der wenigen wirklich komischen Dialogzeilen in diesem Rührstück.

Nicole Kidman als Bell mutet zu porzellan-statisch, akkurat und mimisch eingefroren an. (Während der Sichtung hab ich mir mehrfach versucht vorzustellen wie Samantha Morton, Hilary Swank oder auch Cate Blanchett die Rolle ausgefüllt hätten.) Nicht nur die Queen of Botox ist unglaubwürdig, James Franco ist in der Rolle des romantisch Liebenden eine glatte Fehlbesetzung, allein Robert Pattinson und Damien Lewis muten erträglich an; aber die hatten ja auch nicht Dialoge wie:  „For the first time in my Life I know who I am. My heart belongs to the desert.“ auswendig zu lernen.

Insgesamt werden die Forschungsreisen von Bells Team wie ein längerer, gemütlicher Spaziergang durch den Mittleren Osten dargestellt; von den Gefahren, Strapazen und ernsthaften Entbehrungen, die solche Exkursionen mit sich zu bringen pflegen, hier keine Spur. Im Gegenteil Gertrude reist mit einem Tisch und zwei Stühlen und lässt allabendlich ein zweites Glas Tee für „the man who lives in my heart“ aufbrühen.

Rein technisch betrachtet, fällt die schlechte Ausleuchtung des Filmes, welche an Filme der 1980er Jahre erinnert, unangenehm auf. Dieser Aspekt wird jedoch durch die Kadrierung wieder aufgehoben; sämtliche Innenaufnahmen sind zentralperspektivisch aufgenommen, wobei die Rahmung sich im Laufe der Handlung zum Golden Schnitt hin verschiebt. Dadurch wird formalästhetisch Gertrude Bells Ausbruch aus der Enge von quadratischen Innenräumen in die Weite der Natur nachvollzogen.

Kurz: Wem der Sinn nach einem Wüstenepos und Liebesschwüren im Sande steht, dem empfehle ich THE ENGLISH PATIENT oder aber OUT OF AFRICA.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb

GESEHEN: Highlights der letzten Filmwoche

by cinemaclaco

1. LOIN DES HOMMES (David Oelhoffen, Frankreich 2014)

… für die Bedachtheit mit der Viggo Mortensen seine Rolle zusammen gesetzt hat, für sein klares Französisch und für das Kino. Die Schaubühne Lindenfels hat seit dem Umbau einen ganz besonderen Charme, der jeden Kinobesuch zu einem Ereignis werden lässt.

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2. FÜR IMMER ADALINE (Lee Toland Krieger, USA 2015)

… für die Auswahl und Kombination der Kostüme und wie sich dank ihrer die Filmerzählung glaubwürdiger gestaltete

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3. LA DELICATESSE (David & Stéphane Foenkinos, Frankreich 2011)

… für den Namen der Regisseure – bei so einem Namen muss man Cineast sein! – und für den Satz «Je pourrais partir en vacances dans vos cheveux.» – «In Ihren Haaren könnte ich meinen Urlaub verbringen.»

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4. BREAKING AND ENTERING (Anthony Minghella, UK/USA 2006)

… immer wieder für die Filmmusik, für die Vertrautheit, die sich bei häufig gesehenen Filmen einstellt und die Möglichkeit dennoch immer wieder Neues zu entdecken

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5. L’HOMME QUI VOULAIT VIVRE SA VIE (Eric Lartigau, Frankreich 2010)

… für Romain Duris‘ Charme, Verve und Lebenslust und die Initialzündung einen neuen Schauspieler, Stars und Superstars-Vortrag vorzubereiten.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb