GESEHEN: Highlight der Filmwoche

by cinemaclaco

Der Meister des polnischen Animationsfilms Witold Giersz hat eine ganz klare Vorliebe für den Wilden Westen, Cowboys und Western. Was wohl auch der mangelnden Reisefreiheit zu Zeiten des eisernen Vorhangs geschuldet ist.

imageimage-1

Aktuell wird Witold Giersz (gesprochen: Witold Gkjersch) im Programm vom Leipziger Internationalen Festival für Dokumentar- und Animationsfilm mit einer Hommage geehrt. Im Rahmen von »Farben im Galopp – Der Animationskünstler Witold Giersz« läuft u.a. der Kurzfilm »Horses« aus dem Jahr 1967, den Giersz damals nicht in die DDR begleiten konnte. Doch auch diesmal hat der Animator mit diesem Film kein Glück. »Horses« müsste in Cinemascope projiziert werden, wurde jedoch versehentlich im falschen Format an das Festival geschickt. Giersz, ein Mann des trockenen Humors, bittet daher die durch den Formatwechsel von titelgebenden Pferden zu Giraffen mutierten Wesen zu entschuldigen.

Witold Giersz wird im Publikumsgespräch eloquent und beschwingt von der Dolmetscherin Irena Duduva ins Englische übersetzt, was gut ist, denn ansonsten würden alle nur »na zelluloida« verstehen. Witold Giersz’ Karriere verdankt sich einer Zeitungsannonce. Im Jahr 1950 schlug der Student der Malerei eine Tageszeitung auf und vernahm, dass Menschen, die zeichnen können, gesucht würden. Er gab sein Studium auf und begann Animationsfilme zu zeichnen. An jenem Tag, so sagt er, wurde er »von der Animationsmuse geküsst«. Die Leidenschaft hält zum Glück bis heute an. Giersz, Meister des Understatements, hätte nur dank eines elastischen Messers eine ganz spezielle Technik des Animierens auf Glas, Karton und Zelluloid entwickelt und dabei gelernt »wie im Leben auf Fehler zu reagieren«. Wie in allen Filmen spielt in »Horses« die Musik eine elementare Rolle. Giersz arbeitet in allen Etappen mit dem Komponisten zusammen. Die schwierigste Zusammenarbeit hätte er mit Wolfgang Amadeus Mozart gehabt, weil der »alte Knabe partout nicht auf Änderungsvorschläge eingehen wollte«.

Im Publikumsgespräch hagelt es Komplimente, die der Altmeister leise schmunzelnd registriert. Zu einem breiten Lächeln animiert den Meister des expressiven Pinselstrichs jedoch ein Kommentar, der die Bewegungsabläufe der Pferde und eines alten Cowboys in »The Old Cowboy« (Witold Giersz, Polen 1973) zum Thema hat. Dieser Kinobesucher hatte doch tatsächlich in einem der Cowboys die alte Lederbacke John Wayne wiedererkannt.

Wiederholung des Programms mit Q&A am 29.10. 22.30 Uhr, Passage Kinos Filmeck

© der Bilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb


GENÄHT: Sewin‘ for the Festival

by cinemaclaco

dokdok – so interessant das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm auch ist, so ungesund ist die Jahreszeit in der es stattfindet. Am kommenden Montag startet die 58. Ausgabe mit einem vielfältigen und neu strukturierten Programm.

cinemaclaco_Loopschal 2

Für das Festival habe ich mir heute Nachmittag einen  – eingedenk der zu erwartbaren Temperaturen, ein passendes Wort – Halsschmeichler genäht, den ich mit meinen schwarzen Kleidern zu kombinieren gedenke. Der Loopschal besteht aus zwei großen Bahnen (150 cm x 44 cm), die ich mit ihren rechten Seiten aufeinander liegend, zusammen geheftet, genäht und auch zwischen den einzelnen Schritten immer mal wieder aufgebügelt habe, damit die vier zusammen genähten Schichten ordentlich aufeinander liegen.

cinemaclaco_Loopschal 1cinemaclaco_Loopschal mit Outfit2

Zum Muster nun ja – es schreit „You’ve Got Mail!“, oder? Der dokdok-Schal hat die fertigen Maße: 74 cm x 40 cm und liegt sehr angenehm auf der Haut. Er ist also – Achtung: Kalauer – ein Hautschmeichler. Dok Leipzig kann beginnen!

© der Bilder beim jeweiligen Rechteinhaber und cinemaclaco


GENÄHT: Sewin‘ in the Sun

by cinemaclaco

Etwas Staub hatte sie schon angesetzt die gute, geliehene Nähmaschine meiner Schwester. (Danke!) Nun habe ich neulich beim schönsten Nachmittagssonnenlicht gleich zwei Projekte zu einem guten Ende gebracht.

GetAttachment-1 2001-A-Space-Odyssey

Das Stanley Kubrick-Sitzkissen und das Jane Austen-Lesekissen. Nun sitze ich künftig beim Nähen auf dem Kubrick-Kissen, dessen Muster sich ziemlich gut in die Kulissen von Stanley Kubricks Sci-Fi-Meisterwerk 2001: A SPACE ODYSSEY eingefügt hätte. Wobei – wozu brauchen Kosmonauten nochmal Sitzkissen?

Kissen 2001

Die Herstellung war denkbar einfach. Ein hässlich-gelbes Kissen bei Butlers im Sale erstanden, farblich an die Kostüme von 2001: A SPACE ODYSSEY (Stanley Kubrick, USA/GB 1968) erinnernde Stoffreste in der Leipziger Stoffgalerie erworben und das Butlerkissen eingenäht. Fertig ist der Lack – eh das Sitzkissen. Dauer 5 min.

016contemporary-books

Im Bildhintergrund einer Jane Austenverfilmung wiederum würde das lilane Kissen  nicht größer auffallen, dominiert sein Umfeld, dank Farbe und stofflicher Verspieltheit, nun aber doch stärker als beim Kauf antizipiert.

romola+garai+daniel+derondaGetAttachment-2

Das Austen-Lesekissen (hier in friedlicher Eintracht mit dem Thomas Hardy-Kissen) bedurfte einer ruhigeren Hand und der Erkundung verschiedener Stichlängen und Nadelstärken, da der Stoff empfindlicher als jener elastische Baumwollstoff des 2001-Kissens ist.

Da das erklärte Ziel jedoch nicht ist, eine umfangreiche Kissenkollektion zu erstellen, sondern Sicherheit im Umgang mit Nähmaschinen zu gewinnen, wird das nächste Projekt die Anfertigung eines türkis-schwarzen Anthony Minghella-Loopschals werden. Der Stoff ist schon erstanden und gilt nur noch gewaschen zu werden.

© der Bilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb und cinemaclaco


GEREIST: BACK TO THE FUTURE – Triple Feature

by cinemaclaco (21.10.2015 16:29)

Jane & Ronaldmarty-mcfly-(michael-j-fox)-et-le-doc-emmet-brown-(christopher-loyd)-dans-retour-vers-le-futur-photo-dr

[Dr. Emmett Brown is doubting Marty McFly’s story about that he is from the future]

Dr. Emmett Brown: Then tell me, future boy, who’s President of the United States in 1985?

Marty McFly: Ronald Reagan.

Dr. Emmett Brown: Ronald Reagan? The actor?

[chuckles in disbelief]

Dr. Emmett Brown: Then who’s vice president? Jerry Lewis?

[rushing out and down a hill toward his laboratory]

Dr. Emmett Brown: I suppose Jane Wyman is the First Lady!

Marty McFly: [following Doc] Whoa. Wait, Doc!

Dr. Emmett Brown: And Jack Benny is secretary of the treasury.

Marty McFly: [outside the lab door] Doc, you gotta listen to me.

Dr. Emmett Brown: [opens the door to the lab] I’ve had enough practical jokes for one evening. Good night, future boy!

Triple Features in Leipzig: im Regina um 16:29, im Cinestar & Cineplex um 18:30.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb oder Photographen


GESEHEN/GEREIST/GELESEN/GEHÖRT: Highlights der letzten Filmwoche

by cinemaclaco

  1. HUMAN DESIRE – LEBENSGIER (Fritz Lang, USA 1954)

043-glenn-ford-theredlist

Human Desire ist mehr als ein Film Noir. Was neben dem natürlichen Schauspiel von Gloria Grahame und Glenn Ford v.a. daran liegt, dass Fritz Lang die Regie geführt hat. Herausgekommen ist das Sittengemälde einer puritanischen, amerikanischen Kleinstadt, ein Dokumentarfilm über das Fahren von Zügen, eine Schilderung kleinbürgerlichen, harmonischen Familienlebens, eine Kondensation des Lebensgefühls in Amerika nach dem Koreakrieg und eine One-Woman-Comedyshow (Zitat: Jean: [Dressing for a date] Zip me up will you, Carl? Carl Buckley: [Impatiently] You dames, you spend more time gettin‘ dressed…Jean: Have to! It’s much better to have good looks than brains because most of the men I know can see much better than they can think.). Und dabei liefert all dies nur die Kulisse für eine ziemlich ungesunde Dreiecksgeschichte. Kurz: ein rundum gelungener, in allen Rollen perfekt besetzter Film. Sehenswert!

2. GO WEST (Buster Keaton, USA 1925)

keaton-cow

Go West – Buster Keatons Stummfilmkomödie mit ungewöhnlichem Love Interest und hochlogistischen Einsatz von Komparsenherden – in einer Vereins-Veranstaltung von Laufende Bilder e.V. in der Berliner Kneipe Hepcats‘ Corner. Besonders gelungen, da kurz, knackig und witzig war hierbei die Einführung in den Film. Richard Siedhoff begleitete energisch und kraftvoll die aus Australien angereiste – und auf dem Weg an Schärfe verlorene – 16-mm Kopie am Klavier.

3. Ava Gardner – Love is Nothing

41pAC4ox7ZL._SY344_BO1,204,203,200_

Bei der Lektüre einer besonders langatmigen Marilyn Monroe Biographie schwor ich mir neulich nie wieder Lebensberichte über Hollywoodstars zu lesen, deren vorrangiges Ziel es ist, ehe sie zum Zuge kommen, ihre Leserschaft mit ausführlichen Stammbaumprojekten zu ermatten, die das Leben der Urururgroßeltern der Stars ausbreiten. Ava Gardners von Lee Server geschriebene Memoire, riecht nicht nach staubigen Archivmaterial, geht auch nur in zwei Zeilen auf die Urgroßeltern von Ava Gardner ein und ist sehr gut geschrieben. Lee Server stellt in Love is Nothing nicht nur auf das komplizierte Liebesleben des Stars aus, sondern geht auf Ava Gardners Leben als ein komplexes Ganzes ein. Peter Bogdanovich über das Buch: „An enthralling biography. In the space of these pages, we befriend, then fall in love with, then finally mourn a remarkably beautiful woman.“

4. Artie Shaw Begin the Beguine

dank Lee Server viel, auch unbequemes über Ava Gardners Ehemann N° 2 Artie Shaw erfahren, aber auch seine Musik neu entdeckt. Leider kann man Shaws Tribute to Ava Gardner in Deutschland nicht auf Youtube abspielen.

Artie Shaw and Ava Gardner Sitting in Nightclub

Trostpreis: Begin the Beguine und Cole Porters Begin the Beguine in der Version von Ava Gardners husband n° 3 – Frank Sinatra.

055-ava-gardner-and-frank-sinatra-theredlist

5. MASTERS OF SEX (Michelle Ashford, USA 2013) Episode: Phallic Victories

für den schwebenden Fernsehmoment der Woche, der zugleich zum Ohrwurm der Woche # 8 avancierte: Lizzy Caplan singt den, von Cindy Walker & Eddy Arnold komponierten, 1962 äußerst populären Popsong You Don’t Know Me.

masters-of-sex-1-11-singing

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb oder Photographen


GESEHEN: PLEMYA – The Tribe (Miroslav Slaboshpitsky, Ukraine/Niederlande 2014)

by cinemaclaco

PLEMYA ist ein in Gebärdensprache gedrehter Film, der ohne Zwischentitel, Voice over oder anderweitige Übersetzungen auskommt. PLEMYA spielt in einer, in der Nähe von Kiew gelegenen, Schule. In diesem Internat für gehörlose Kinder und Jugendliche wird sehr viel kommuniziert; es wird geschrieben, notiert, mittels Handzeichen gesprochen, in die Hände geklatscht und gestikuliert. Erwachsene Sprechende sind in dieser Welt eher Randfiguren, die ohne Ton und aus einer größeren Distanz heraus gefilmt werden.

cannesthetribe478633

Die Vorgänge innerhalb dieses Universums erschließen sich auch deshalb dem, nicht in ukrainischer Gebärdensprache sprechenden, Publikum gut, weil uns – gerade zu Beginn des Films – eine Aneinanderreihung von standardisierten Kommunikationssituationen präsentiert wird: Jemand fragt nach dem Weg, in einer Schule wird eine Feierlichkeit begangen, ein neuer Schüler stellt sich der Klasse vor, im Unterricht wird gequatscht und die Meute von der Lehrerin zur Ruhe gerufen. Wie in allen Schulen gibt es auch hier gemobbte Looser und mobbende Obermacker. Wie überall gilt es sich als Dazugekommener zu behaupten, Haltung zu bewahren, einen Standpunkt zu beziehen und die bestehenden Regeln zu verstehen. Es gibt eine klare soziale Struktur. Diese etablierten Hierarchien bricht der Neuling nach und nach auf.

2000_james-cameron_miroslav-slaboshpitsky2211_miroslav-slaboshpitsky_plemya

Miroslav Slaboshpitsky feierte vorgestern seinen 41. Geburtstag. Anlass genug dieser Tage seinen Film PLEMYA – THE TRIBE im Kino anzusehen. Dem Regisseur ist das Milieu seines ersten Spielfilms nicht unbekannt gewesen. Die bereits – seit dem Drehs seines in Folge mehrfach prämierten Kurzfilms DEAFNESS – in die Welt der Gehörlosen bestehenden Kontakte, nutzte er um ein Ukraineweites Casting in Form eines Wettbewerbs für die Besetzung von PLEMYA durchzuführen. In der dortigen Gebärdensprachgemeinschaft sind organisierte Wettbewerbe eine gängige Form des Wettstreits und ein übliches Mittel der Kontaktaufnahme. Die so ausgewählten Laiendarsteller haben sich sodann in Vorbereitung auf den gemeinsamen Dreh Michael Winterbottoms 9 SONGS (GB 2004) und ULTIMO TANGO A PARIGI – DER LETZTE TANGO IN PARIS (Bernardo Bertolucci, F/Italien 1972) angesehen. In Interviews zu cineastischen Einflüssen befragt, äußerte Miroslav Slaboshpitsky wiederholt, dass er schon immer einen Stummfilm habe drehen wollen und sein Spielfilmdebüt im Endeffekt ein klassischer Western sei: Ein Außenstehender dringt in eine Gruppe ein, macht sich an die Frau des Bosses ran und sorgt auch sonst für Ärger. Dieser in einem ukrainischen Internat für Gehörlose spielende Western wurde weltweit und auf vielen wichtigen Festivals, wie etwa in Cannes, mit Preisen überhäuft, nur im Heimatland stieß er auf taube Ohren bzw. eingeschworene Seilschaften. Slaboshpitsky zufolge entspann sich im vergangenen Jahr ein Skandal um die potentielle Einreichung des Films bei den Academy Awards in der Kategorie als bester fremdsprachiger Film.

Mit oder ohne Oscarnominierung ist PLEMYA – THE TRIBE ein eindrücklicher Krimi, der nicht nur als erstes in Gebärdensprache gedrehtes Drama, in die Filmgeschichte eingehen wird. Der PLEMYA – THE TRIBE läuft 19. bis 21.10. u.a. im Berliner Ladenkino b-ware und vom 21. bis 24.10. in der Schaubühne Lindenfels in Leipzig. Die dann vermutlich allerletzte Chance den Film in einem Leipziger Kino zu sehen, räumt die Cinémathèque vom 9. bis 12.11. und am 20.11. ein.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb oder Photographen


Kulturtipp: Warren Beatty – Mister Hollywood

by cinemaclaco

Dokumentationen über Hollywoodstars, Schauspieler und Filmschaffende gibt es wie Sand am Meer – oder passender wie Sterne auf dem Walk of Fame in Los Angeles. Wenige Starportraits haben dabei eine genuin filmische Qualität. Ausnahmen, welche die talking head-Regel bestätigen, sind MÉMOIRES POUR SIMONE (F 1986), Chris Markers Hommage an die französische Charakterdarstellerin Simone Signoret oder aber Olivier Nicklaus‘ WARREN BEATTY – UNE OBSESSION HOLLYWOODIENNE (F, 2015).

051663-000-A_warrenbeatty_12-1442112642233051663-000-A_warrenbeatty_09-1442112638494

Nicklaus webt in der fürs Fernsehen produzierten Dokumentation WARREN BEATTY – MISTER HOLLYWOOD Animationssequenzen, Filmausschnitte, Fotografien und Interviewmitschnitte zu einem einzigartigen, stimmigen, höchst cinephilen Filmtext zusammen. Dank dieser visuellen Mischung verschafft er uns einen ziemlich guten Einblick in das private und berufliche Leben von Warren Beatty, aka Mister Hollywood, der in Personalunion so verschiedene Rollen wie Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Sexsymbol, politischer Aktivist auf das vortrefflichste vereint und nur im Nebenberuf Schauspieler zu sein scheint.

Bildschirmfoto 2015-10-09 um 15.02.42 WARREN BEATTY

WARREN BEATTY – MISTER HOLLYWOOD stellt nicht nur einen der Intellektuellen Hollywoods im Laufe seiner 6 Jahrzehnte umspannenden Karriere vor, sondern vermittelt uns en passant eine ziemlich gute Vorstellung vom jeweiligen Zeitgeist der Traumfabrik. Außerdem verdeutlicht Beattys Werdegang, dass eine solche Karriere, die u.a. durch sehr lange Auszeiten bestimmt ist, letztlich ein Privileg männlicher Hollywoodianer ist.

Elegant, informativ, sexy, – die Dokumentation macht Lust auf mehr Warren Beatty. Nicht verpassen! WARREN BEATTY – MISTER HOLLYWOOD ist nur noch bis zum 12.10. in der Mediathek von arte zu sehen.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb & Slow Production


GEHÖRT: Ohrwurm der Woche # 7

by cinemaclaco

… ist der amerikanische Evergreen You’re Blasé komponiert von Bruce Sievier und Ord Hamilton in den verschiedensten Versionen, wobei jene von Peggy Lee und Dexter Gordon m.E. die berührensten sind.

Dank der innovativen Phrasierungen von Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Jeanie Bryson, Shirley Horn kann der Song auch kämpferisch, erotisch, wohl-ar-ti-kuuu-lierend oder aber atem- bis ratlos und schließlich auch wie in dieser Version zeitgenössisch (1931) anmuten.

MI0000179150

Leider figuriert You’re Blasé bisher in keinem Film als Soundtrack. Aber vielleicht ändert sich das ja mit Todd Haynes Biopic über Peggy Lee.

© der Personenbilder beim jeweiligen Rechteinhaber


GESEHEN: Highlights der letzten Filmwoche

by cinemaclaco

  1. SPLENDID’S (Jean Genet, Deutsch von Peter Handke / Regie: Claudia Bauer)

Wenngleich Video im Leipziger Schauspiel häufiger zum Einsatz kommt, so waren die ersten 10 Minuten des Stückes, welche als Stummfilm – inklusive expressionistischer Mimik und Gestik – gefilmt, auf die Außenseite des Containers projiziert und von Zwischentiteln unterstützt waren, besonderes einprägsam. Weitere Aufführungen am 18. und 29. Oktober jeweils um 19:30 Uhr.

csm_splendids_10_5de343203dcsm_splendids_02_776249f287

2. SAMBA (Olivier Nakache, Éric Toledano, Frankreich 2014)

Im Kino einen Bogen darum gemacht, denn das Konzept von SAMBA erschien mir als recht simpler zweiter Aufguss des Regieteams von INTOUCHABLE aka ZIEMLICH BESTE FREUNDE. Zugegebenermaßen haben wir es in SAMBA erneut mit Menschen von verschiedenen gesellschaftlichen Polen zu tun, die zufällig aufeinander prallen. Ein, zwei kalkuliert durchchoreografierte Tanzsequenzen, so mutmaßte ich, dazu etwas Gesellschaftskritik im Weichspülgang … Doch weit gefehlt, denn da hatte ich nicht mit dem immensen Charme von Omar Sy und Charlotte Gainsbourgs Humor gerechnet und erst recht nicht mit Coca Cola und Bob Marley. Tudo bem, quoi.

maxresdefaultsamba-film-review

3. ORSON WELLES – TRAGISCHES GENIE (Elisabeth Kapnist, Frankreich 2015)

„Der Magier, der Prinz im Exil. Nie weiß man wo Orson gerade ist, sagen besorgt seine Freunde. Einziger Hinweis sind die dicken noch qualmenden Zigarren, die er verstreut wie Kieselsteine.“ Ganz behutsam nähert sich die Regisseurin Orson Welles. Sie folgt so den verstreuten Kieselsteinen der Privatperson, des genialischen Geistes und des kreativsten Regisseurs der Traumfabrik, dessen Karriere in Hollywood jedoch ein tragisches, da von verständnislosen Studiomogulen beschleunigtes, vorschnelles Ende fand. Eine Wiederholung des Films wird am Freitag, 16. Oktober um 2:50 Uhr (56 Min.) auf arte ausgestrahlt.

legende

4. FRANK (Lenny Abrahamson, UK/Irland/USA 2014)

… für Michael Fassbenders einfühlsame Darstellung eines zutiefst verstörten und dennoch äußerst charismatischen Charakters, der sich 3/4 der Filmlauflänge den Blicken der Zuschauer mittels eines überdimensionalen Pappmachékopfs entzieht. Besonders cinephil und gut vorbereitet waren die zwei Jungs in der gleichen Stuhlreihe, die sich dem Kinobesuch entsprechend maskiert hatten, sodass ich es im Cineding mit 3 Franks zu tun hatte: Einem vor mir auf der Leinwand und zweien direkt neben mir. Den Film sollte man nicht verpassen. Aktuell läuft er in OmU in der Kinobar Prager Frühling.

SLEAZE.Frank_.1GetAttachment

5. MATJ – DIE MUTTER (W. Pudowkin, UdSSR 1926)

Jeder Stummfilm steht und fällt mit seiner Livemusikbegleitung. Daniel Beilschmidt, der Leipziger Universitätskantor, versteht es mit durchdachtem, minimalistischem Einsatz auf der Welteorgel Stimmungen zu erzeugen, ohne die Filme akustisch zu überfrachten oder mit einem zu naturalistischen Ansatz reines Mickey-Mousing zu betreiben.

Mutter_1926

6. dis-APPEARANCE [*3] Als ob Wolken nach und nach Gestalt annähmen

Die Westpol-Kuratoren Sylvia Doebelt und Julian Rauter stellen auch im dritten Teil der Austellungsreihe dis-APPEARANCE Reflexionen über den Themenkomplex Verschwinden/Erscheinen in der zeitgenössischen Kunst an. Der Konzeptionsfokus der im Westwerk stattfindenden Ausstellung liegt dabei überwiegend auf Interaktionen mit dem Medium Film. Neben Clemens Klopfensteins »Geschichte der Nacht« in der Orte in der Dämmerung gefilmt und im Anschluss zu einer fiktiven, weiträumigen Stadt zusammengesetzt werden, ist auch »One11 with 103«, die einzig spielfilmlange Arbeit von John Cage ausgestellt. In der Ausstellungshalle wandert man von einem Film zum nächsten. Den Ton der jeweiligen Arbeit empfängt man über eine Radiofrequenz in seine Kopfhörer. Als ich von Klopfensteins Arbeit von der Frequenz 106,2 MHz zum Ton des nebenan positionierten »Primary« von Robert Drew (li.) wechseln wollte, poppte zwischen den Sendern ein ganz normales Radioprogramm auf. Queens A Kind of Magic (re.) unterlegte sodann sehr passend Jackies Unterstützung in J.F.K.s Wahlkampf.

Picture-3_720_450_90 queen-a-kind-of-magic-via-americanheartbreak-com

Und auch die Tonspur von John Cages »One11 with 103« (rechter Filmstill) erwies sich auf ähnliche Weise als perfekte Auratisierung für die photographischen Arbeiten aus der Reihe „Projectionist Series“ von Sheena Macrae. Das erinnerte mich zum zweiten Mal in dieser Woche daran, dass es mal wieder Zeit wird »Citizen Kane« von Orson Welles (linkes Foto) anzusehen. Etwas über den Ursprung und Hintergrund dieser Photoserien kann man hier lesen.

sheena-mcrae_the-projectionist1cage_one11-9

In der Tat: »Die großzügige Ausstellungshalle des Westpol A.I.R Space«, so versichern die Kuratoren, »ermöglicht das simultane Abspielen verschiedenster Projektionen. Je nach räumlicher Positionierung ergeben sich für den Betrachter ständig neue Bedeutungskonstellationen.« Auch dank des zufälligen akustischen Crossovers war die Ausstellung faszinierend, denn wo kann man schon die Bee Gees zu Marguerite Duras‘ ironischen Augenbrauen und Gérard Depardieus perplexer Frage „C’est un film?“ erleben? Nur im Westpol! Bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung vielleicht doch noch verlängert wird.

© der Film- und Personenbilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb, für Splendid’s © Rolf Arnold