by cinemaclaco
„Der Krieg war für die Menschen meiner Generation die Zeit der Entdeckung des Films.“ (Alexandre Arnoux)
War films as a major film genre emerged after the outbreak of World War One.
Der Erste Weltkrieg, oder, wie die Briten und Franzosen sagen, der Große Krieg, war der erste Krieg, der von verschiedenen medialen Erfindungen profitierte und diese propagandistisch aber auch künstlerisch zu verwenden verstand. Bereits in der Vorkriegszeit und zu Kriegsbeginn entstanden in Europa Kurzfilme und mittellange Filme mit künstlerischen Anspruch, die Kriegsszenarien zum Thema hatten. Hierbei handelte es sich um dokumentarisch anmutende Nachrichten, Aktualitätsfilme und inszenierte Kriegsberichterstattungen.

Von diesen Filmen sind jedoch nur wenige überliefert, was mehrere Gründe hat. Erstens sorgte die verstreichende Zeit für einen nicht unerheblichen Filmverfall: Das Nitromaterial der Filmstreifen zerfiel. Zweitens wurden Filme in der damaligen Zeit in keiner europäischen Nation archiviert, sondern, kommerziell bedingt, vernichtet. Das was in Frankreich erhalten ist, verdankt sich dem Umstand, dass die Pathé lange Zeit Filmkopienverkauf betrieb ehe die Firma zum Filmverleih überging. Trotz des an Filmen aus und zum Zweiten Weltkrieg vergleichsweise geringem Recherchematerials gilt als gesichert, dass sich die Filmgrammatik in den 1910er Jahren weltweit kontinuierlich weiter entwickelt hatte: Neue Techniken mit martialisch klingenden Bezeichnungen wie ‚Schuss‘ und ‚Gegenschuss‘ aber auch eine größere Beweglichkeit der Kamera und eye light matching wurden bereits in diesen Filmen angewendet. Der Schnitt oder die Montage erlaubten eine Emanzipation vom Vorbild Theater, welches fortan nur noch als Inspirationsquelle für filmische Stoffe als auch – in der Nobilitierungsphase vom Ladenkino zum Kinopalast – als Vorbild für die Abspielorte der Filme diente jedoch nicht mehr die Ästhetik der Filme beeinflusste.

Interessanterweise war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die Filmlandschaft noch nicht von kinematographischen Grenzen durchzogen. Die französischen Stars Suzanne Grandais und Yvette Andréydor arbeiteten z.B. im Deutschen Kaiserreich. Generell hatte Frankreich, nicht nur was seine vom Theater kommenden Stars sondern auch was die Filmproduktion anbelangte, eine Monopolstellung inne, die erst durch den Ersten Weltkrieg und zugunsten Hollywoods aufgegeben wurde. Noch im Jahr 1914 stammten 98% der im Kaiserreich laufenden Filme aus Frankreich. Konkurrenz erfuhren Pathé und andere französische Studios in jenen Tagen nur seitens italienischer Studios etwa der Itala oder durch das dänische Studio Nordisk Film. Durch den Ersten Weltkrieg wurde auch diese imaginäre Landkarte des Kinos neu umgesteckt.
Der Abbruch der Handelsbeziehungen mit Mitteleuropa und der Niedergang der Industrie begünstigte die Entwicklung der Filmindustrien in den Mittelmächten und in Russland. (Ulrike Oppelt)
Somit kann man von einer historisch bedingten Zäsur durch den Ersten Weltkrieg innerhalb der Filmwelt sprechen. Nach dem Ausbruch des weltweiten militärischen Konfliktes war die friedliche kinematographische Zusammenarbeit bei der Produktion von Stummfilmen für einige Jahre nicht mehr möglich. Während sich das französische Kino nur langsam vom Ausbruch des Krieges erholen sollte, profitierte jenes der Weimarer Republik nicht nur durch die Entstehung der UFA sondern auch von der Übernahme französischer Verleihfirmen.
Mit dem erfolgreichen Medium entstanden neue millionenschwere Produktionszweige. Obwohl die Wirtschaft außerhalb der Kriegsproduktion zwischen 1914 und 1918 herbe Verluste hinnehmen mußte, waren im Filmgeschäft große Gewinnspannen möglich. Die Zuschauerzahlen steigerten sich beinahe stündlich – relativ zum Gewinn war die Produktion eines Stummfilmes preiswert. (Judith Rakers)
Im Alltag der Europäer gewann das Kino im Laufe des Ersten Weltkrieges immer mehr Zulauf, dies beweisen die kontinuierlich steigenden Zuschauerzahlen. Und auch nach Kriegsende war jede einzelne Kinovorstellung gut besucht und der Film als Kulturprodukt von den bürgerlichen Schichten anerkannt. In allen kriegsführenden Ländern entstanden zwischen 1914 und 1918 Filme, die den Patriotismus im Land aber v.a. an der Front stärken sollten. Während in den 1910er Jahren im Deutschen Kaiserreich bereits Filme mit Kriegsthematik gedreht wurden, die als Einstimmung auf den von fast allen europäischen Nationalstaaten ersehnten Krieg dienten und diesen gewissermaßen bildlich vorwegnahmen, beschäftigte sich der französische Film zu dieser Zeit nicht mit dem Krieg.
An den Kriegsdrohungen und den sozialen Unruhen, die die französische Gesellschaft vor 1914 beunruhigten, nahm der französische Film zu dieser Zeit keinen Anteil. (Gregor Ulrich und Enno Patalas)
Doch nach dem Kriegseintritt Frankreich wurde auch dort der Film zur massenhaften Vermarktung des Krieges genutzt. Paradoxerweise wurden nach Kriegsausbruch die Studios beschlagnahmt, die luxuriösen Kinopaläste geschlossen und die Filmproduktion für sechs Monate still gelegt. Doch noch vor der Jahreswende und als sich abzeichnete, dass die Kriegshandlungen nicht zu Weihnachten beendet sein würden, kurbelte auch Frankreich seine Filmproduktion nun unter patriotischen Vorzeichen wieder an. Neben Militärstoffen wurden auch Filme in anderen Genren gedreht, nachdem sich langfristig abzeichnete, dass die Soldaten an der Front als auch die Zivilbevölkerung Ablenkung vom Kriegsgeschehen wünschte. Das Kino funktionierte in den Kriegsjahren als Erzieher, Moralapostel und Unterhalter. Berichte von der Front standen im engeren und weitern Zusammenhang mit den Kriegshandlungen und bedurften administrativer Anstrengungen.
Nicht nur die technischen Unzulänglichkeiten der schwerfälligen Kameraausrüstung und die äußerst restriktive Politik der militärischen Führungen, sondern der Charakter des industrialisierten Massenkrieges selbst verurteilte Versuche zum Scheitern, ihn filmisch zu erfassen. (Martin Baumeister)
So hatten alle entstanden filmischen Arbeiten eine Reenactmentcharakter. Die entstanden Aktualitätenbilder kamen oft mit Hilfe des Militärs zustande, welches geduldig seine Komparsenrolle im Kriegsbild ausübte und Geschichtsbuchtaugliche Szenerien an Nebenschauplätzen nachspielte.

In den kommenden Jahren bestand das französische Kinoprogramm vornehmlich aus kommerziellen Filmen, die schon vor dem Krieg produziert worden waren und aus eigens für die Kriegsanstrengung hergestellten Filmen mit Titeln wie Mort au Champ d’Honneur, Les héros de l’Yser, Les poilus de la revanche oder Celui qui reste. Allen war ein heroisch stimmender Charakter mit Tendenz zum Melodram und v.a. zur Kriegsverherrlichung, die das eigentliche Kampfgeschehen und somit den Tod aussparte, gemein. Der in Endlosschleife gezeigten Filme war das französische Publikum an und hinter den Fronten alsbald leid. Auch die auf Heimaturlaub befindlichen Soldaten, die poilus, entlarvten diese Filmbilder als erfundene Bilder, die mit der realen – in den Schützengräben tagtäglich gelebten Erfahrung – nichts gemein hatten. Die Poilus lehnten in der Regel den Besuch solcher Filme ab.

Um das Publikum nicht zu verlieren, setzten die Kinobetreiber infolge auf Episodenfilme, Komödien, Abenteuer- und Detektivfilme. Populär waren Vampirfilme aber auch die Fantômas-Serien von Louis Feuillade konnte an ihre Popularität von der Vorkriegszeit wieder anknüpfen. Jean-Pierre Jeancolas beschreibt das Kinoangeot und die tröstliche Funktion v.a. der Vampirfilme wie folgt:
Diese Filme stellten mit reicher Phantasie die gleichermaßen verführerischen Kräfte des Guten und des Bösen einander gegenüber; der Tod bedeutete zwar Bedrohung und Strafe, doch er zählte nicht wirklich, es gab in diesen Streifen mehr scheinbar Tote als wirklich Tote, es gab viel Spannung, doch wenig Schmerz. Der Episodenfilm war das genaue Gegenteil von dem, was das Leben wirklich war. Das Kino als Fluchtmöglichkeit – das war es, was die Zuschauer brauchten, die von der Front zurückkehrten noch mehr als die anderen
Das kommerziell erfolgreichste Genre in allen am Krieg beteiligten Länder war – der Trivialfilm. In den USA warb folgerichtig der Slogan „Wenn Du Dich ermattet fühlst, geh ins Kino“ für die neue Freizeitgestaltung. Der Ort des Kinos fungierte nicht nur für Frauen und Heranwachsende in der Heimat als warmer Zufluchtsort und Möglichkeit das Kopfkino zum Verstummen zu bringen. In den seit 1915 bestehenden 400 französischen Frontkinos, die teilweise in Bahnhöfen untergebracht waren, wurden vom Filmdienst Le cinéma aux Poilus Filmabende organisiert. Überwiegend wurden Filme von Charlie Chaplin projiziert.

Während es in Großbritannien eine landesweite Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gräuel des Kriegs, auch im Medium des Films, etwa in dem dokumentarischen Film The Battle of the Somme gab, unterblieb eine solche in Frankreich und dem Deutschen Kaiserreich. Wenngleich die deutsche Filmindustrie versuchte vom Erfolg von The Battle of the Somme, der in England dank einer Empfehlung des Königs große Zuschauerzahlen (ca. 20 Millionen) erreicht hatte, zu profitieren, indem sie ein Remake anfertigten, so musste der Versuch, der nur auf den Schauwert von Szenen setzte, scheitern. Dieser Film war so augenscheinlich Propaganda, dass er niemanden manipulieren oder auch nur interessieren konnte. So konnte Bei unseren Helden an der Somme trotz reißerischer Frontaufnahmen nicht das menschlich anrührende Moment des englischen Originals und mithin nicht seine Resonanz erreichen.

In Frankreich entstanden 1917 mit Mater Dolorosa und im Folgejahr mit J’accuse!, beide von Abel Gance, Filme, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auf eine seriöse, sogar pazifistische Art auseinander setzten, indem sie jenseits von Kitsch und Pathos den Krieg als eine menschlich verursachte Katastrophe zeigten.
Durch eine speziell entwickelte Überblendungstechnik und unter Verwendung von authentischen dokumentarischen Material von Kriegshandlungen war der dreistündige Film des Franzosen die erste filmische Reaktion auf die Schrecken des 1. Weltkrieges (…). Die Toten des Weltkrieges waren auferstanden und sahen den Überlebenden in die Augen: „War es das große Opfer wert? Welchen Nutzen hat der Krieg dir gebracht? Was hast du getan als dein Mann getötet wurde? (Jean-Pierre Jeancolas)
Dieser Antikriegs-Film war auf lange Sicht ein weiterer Motor für die filmische Moderne. Er verstand es dem Publikum eine pazifistische Sicht auf den Krieg zu vermitteln, indem er die Dummheit des Zeitgeistes anklagte. Wenngleich auch Abel Gance nicht ganz frei von einer propagandistischen an einem Nationalstaat gebundenen Ideologie war, was v.a. in der Verwendung der Legende von den boches deutlich wird, die die Hände von belgischen Kindern verstümmeln.
Als Antikriegsfilm wird ein Kino- oder Fernsehfilm bezeichnet, der einen Krieg thematisiert oder dessen Handlungsstrang ganz oder zum großen Teil in einem Kriegsszenario verläuft. Der Begriff Antikriegsfilm bezeichnet Filme, in denen Leid und Schrecken des Krieges dem Zuschauer nahe gebracht werden. (Marcus Stiglegger)
Nach Kriegsende gab es weltweit kaum Filme, die sich in ihrer Narration explizit auf den Ersten Weltkrieg bezogen. Dies hängt zum einen mit den Verdrängungsmachinismen der ‚Lost Generation‘ zusammen. Zum anderen braucht es immer eine gewisse Zeitspanne bis historisch Einschneidendes verfilmt werden kann. Im Falle des Großen Krieges betrug diese Zeitspanne in Frankreich bis zum Erscheinen von L’équipage von Maurice Tourneur ganze 10 Jahre. Wenn man den Kanon der Spielfilme zum Ersten Weltkrieg in seiner chronologischen Entwicklung betrachtet, so fällt auf, dass es in Frankreich eine lange Tradition von Antikriegsfilmen gibt, die schon zu Kriegszeiten bei Abel Gance beginnt. In den USA wurde mit Charlie Chaplins Shoulder Armes ein erster Antikriegsfilm gedreht, der aufgrund von Chaplins Popularität international ausgewertet wurde. Im Kaiserreich hingegen wurden eine Vielzahl an Filmen gedreht, die der Propaganda dienten. Und auch zu Zeiten der Weimarer Republik wurden weiterhin Filme produziert, die den Weltkrieg am Rande thematisierten. Vergleicht man Spielfilme, die den Ersten Weltkrieg zum Thema haben mit jenen über den Zweiten Weltkrieg so fällt auf, dass die Mehrzahl der Filmklassiker zum Ersten Weltkrieg Antikriegsfilme sind, während man
in jedem der so zahlreichen Filme über den Zweiten Weltkrieg das Außergewöhnliche des Krieges erkennt. Kaum ein wirklicher Anti-Kriegsfilm ist darunter, keiner zumindest, der sich um eine Anonymisierung seines Schauplatzes (des zeitlichen wie des örtlichen) bemüht. Die Filme über den Zweiten Weltkrieg sind andere Filme: Heldenstücke und Männerkino, markig und fulminant. (…) Das Kino über die Toten von 1917 ist ein zeitloses Kino, es ist 1937 oder 1964 und 1970 entstanden und es entsteht noch heute. Eben deshalb ist es oft besser und politischer und brisanter als vieles, was über moderne und ansonsten weit häufiger diskutierte Schlachten zu Wege gebracht wurde. (Thorsten Henning, Politisches Kino- Ein Analyse-Versuch in Rezensionen, Hamburg, Eigenverlag)
Innerhalb des Filmkanons zum Ersten Weltkrieg hat sich ein Referenzsystem herausgebildet. In anderen Worten: Jeder Regisseur, der sich des Themas annimmt, wird von den Klassikern des Genres aber auch von gewissen Legenden des Großen Krieges für seine eigene, neue Arbeit inspiriert. Dabei sind es v.a. Szenen aus US-amerikanischen Spielfilmen der 1930er und 1940er Jahre, die in das Medien- oder kollektive Gedächtnis eingegangen sind. Die auf Erich Maria Remarques Roman A l’ouest rien de nouveau basierende Literaturverfilmung ist nahezu eine Anthologie berühmt gewordener Szenen. Zum Bildfundus des Ersten Weltkrieges gehörend, inspirierte Lewis Milestones Filmklassiker All Quiet on the Western Front z.B. die Schlusssequenz in Peter Weirs Gallipoli, welche zugleich von Robert Capas Photographie Mort d’un soldat républicain inspiriert ist.

Wenn man den ganzen Bereich der Kriegs- und Antikriegsfilme überschaut, also auch Filme zum Koreakrieg und den Kriegen in Afghanistan mit hinzurechnet, so fällt auf, dass der Erste Weltkrieg kinematographisch einer Blaupause ähnelt, die auf andere geschichtliche Epochen übertragen wird. Oder rühren die Ähnlichkeiten zwischen den Anti/Kriegsfilmen daher, dass sie archetypische Situationen durchspielen, die jenseits der konkreten zeitlichen Verortung der Geschichte, die sie erzählen, als Versatzstücke fungieren, die fast beliebig in einem anderen Zeitrahmen und einem anderen Krieg versetzt werden können? Auffällig sind zudem die genretypischen Präferenzen für einen zweiten Handlungsstrang, der einem Liebesplot beinhaltet. Zudem wird eine Präferenz für typische Genderrollen augenscheinlich: Schauspielerinnen werden zumeist in die Rolle des trauernden Liebchens oder der aufopferungsvollen Krankenschwester und mithin in den Nebenstrang der Handlung abgedrängt, während Männer die Hauptrollen übernehmen, wobei deren Register dann schon breiter ausgestellt ist und vom zynischen Menschen verachtenden Offizier bis hin zum gebrochenen poilu reicht. Dabei ist empirisch bewiesen, dass Frauen in ihrer Berufswahl v.a. in der US-amerikanischen und englischen Armee nicht nur auf die Rolle der Krankenschwester beschränkt waren. Meines Wissens stellt dies aber nur der Hollywoodfilm Wings eindrücklich dar.

Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass auch im Jahr 2015 und trotz Kathryn Bigelow das Genre des Anti/Kriegsfilmes eine reine Männerdomäne ist und das sowohl auf der Leinwand als auch hinter der Kamera und im Regiestuhl.
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