GEHÖRT: Ohrwurm der Woche # 10

von cinemaclaco

… ist Terminal 7 von Tomasz Stańko. Mir kam der Klang der Musik bereits während der ersten 3 Staffeln von HOMELAND so seltsam vertraut vor. Ungelogen jedes Mal, wenn die Musik auftauchte, zermarterte ich mir das Hirn … kam nicht drauf, schweifte in Gedanken ab, folgte der jeweiligen Episode, um mir immer wieder auf’s Neue die Frage zu stellen „Woher kenn ich das denn nur?“ Da Terminal 7 u.a. im Vorspann verwendet wird und ich die Erste Staffel zweimal gesehen habe, dürfte ich mir diese Frage an die 37 x gestellt haben. (huh, imaginärer Schlag auf die Stirn) So ging es nicht mehr weiter! Heute Abend nun die Lösung: Ein Gang zu YouTube und dort in Sekundenschnelle den Soundtrack der Serie rausgesucht und bingo: Stańko! Ich hatte den „weißen Ornette Coleman“ mal live während der Leipziger Jazztage erlebt und besitze sogar eine CD von ihm. The thing is … das letzte Mal, dass ich mir die Musik aktiv angehört habe, ist nun auch schon wieder 10 Jahre her. Ende gut, alles Stańko. Weiter geht’s mit Trylon and Perisphere.

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Copyright der Bilder beim jeweiligen Rechteinhaber.

GESEHEN: RIVERBANKS

von cinemaclaco

 

Yannis, ein junger Mann mit melancholischem Blick, ist einsam, sein Leben hoffnungslos und ohne emotionalen Anker. Daher beschließt der junge Soldat, sich als Freiwilliger zu einem Minensuchtrupp der griechischen Armee zu melden. Er wird an den Grenzfluss Evros versetzt und entwickelt eine besondere Gabe, die dort während der Zypernkrise versenkten Sprengkörper aufzuspüren. Dann taucht eines Nachts vor seinen Augen eine schöne Frau aus dem Wasser auf. Sie ist keine Flussgöttin, sondern eine Schleuserin, die jugendliche Geflüchtete im improvisierten Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland bringt. So gespenstisch und unvermittelt die erste Begegnung auch anmutet, es ist Liebe auf den ersten Blick. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise erzählt Panos Karkanevatos die Liebesgeschichte der Fährfrau des Todes mit dem erratischen, lebensmüden Kamikaze. Auch im Film bleibt einer kurdischen Familie keine andere Wahl, als die Odyssee über den Fluss zum Meer nach Europa anzutreten.

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Der internationale Verleihtitel von óχθες/Octhes ist gut gewählt und im Vorspann gelungen visualisiert, denn die Handlungsorte des Films liegen jenseits der Ufer des Evros’. In ästhetischen Bildern gefilmt, wählt der Kameramann für die Dreiecksgeschichte Bildkompositionen, die dreifaltig wie ein Triptychon aufgebaut sind. Auch die Erzählstruktur des Filmes ist mittels Flashback eine dreiteilige. Der kunstvollen Komposition des Filmes merkt man an, dass der Regisseur eine lange Berufserfahrung als Schnittmeister und Kameramann hat. Dass »Riverbanks« bis auf die, vom deutschen Verleih vor dem Abspann, eingefügten Titel nie pathetisch anmutet, ist den Schauspielern, aber auch der minimalistischen Musik von Nils Kacirek zu verdanken.

RIVERBANKS läuft in Leipzig im Cineding am 27. und 28.11. um 22:00 in OmU und vom 30.11. bis 2.12. um 20:00 in OmU; in Berlin Friedrichshain ist der Film in der Zukunft die ganze Woche, ebenfalls in OmU, um 20:15 zu sehen.

© der Bilder beim jeweiligen Studio/Vertrieb


GESEHEN/GELESEN: Der Bechdel-(/ˈbɛkdəl/ BEK-dəl)-Test

von cinemaclaco

In dieser Kino-Woche habe ich auf alle Filme, die ich auf youtube oder DVD, im Kino und in den Pressevorführungen gesehen habe, den  Bechdel-Test angewendet. Das mittlerweile auch von der Feministischen Filmkritik aufgegriffene „Regelwerk“ aus dem Comic Dykes to Watch Out For der US-amerikanischen Comiczeichnerin Alison Bechdel  lässt sich auf diese 3 Punkte runterbrechen:

  1. In einem Film spielen mindestens zwei Schauspielerinnen in signifikanten Rollen mit
  2. die von ihnen verkörperten Figuren befinden sich in einem Dialog
  3. und sprechen über etwas anderes als Männer.

Was ich dabei feststellen konnte: Der Bechdel-Test ist noch längst kein Indikator für feministisches Kino. Auch Filme, die starke Frauenfiguren in ihr Zentrum stellen, müssen nicht zwangsläufig alle drei Punkte erfüllen. Auf erstaunlich wenige Filme konnte ich den Test positiv anwenden. MISTRESS AMERICA (Noah Baumbach, USA 2015) (Bundesstart: 10.12.2015) erfüllt als einziger Film dieser Woche den Test. In diesem recht unentschlossenen, popig-lärmigen, aufgesetzen Drama, welches altbewährte Konzepte von Gerwig und Baumbach, wiederaufnimmt, gibt es mehrere Frauenfiguren. Überwiegend kommunizieren Brooke (Greta Gerwig) und Tracy (Lola Kirke) miteinander und bereden alles mögliche: z.B. Männer aber auch Businesspläne, Freundschaften, Inneneinrichtungen, Social Media, tote Mütter etc.

Der Bechdel-Test fiel für die anderen Filme der Woche:   LE GOÛT DES MERVEILLES (Bundesstart: Frühjahr 2016), REGENERATION (bis 30.11. auf arte +7)THE DANISH GIRL und THE BIG SHORT (Bundesstarts: 7.1.2016) sowie ELEMENTARY Season 2, Ep. 5, SPECTRE und OSS 117: Le Caire, nid d’espions negativ aus.

Gut dann steht jetzt mal wieder ALIEN auf der to watch Liste. Amiright?

© der Bilder: ALISON BECHDEL

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Guilty Pleasure # 5: ELEMENTARY

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von cinemaclaco

Elementary ist eine US-amerikanische Krimiserie von Robert Doherty mit Jonny Lee Miller und Lucy Liu in den Hauptrollen. Sie versetzt die Figuren der Sherlock-Holmes-Geschichten von Arthur Conan Doyle in das heutige New York, wo Holmes dem NYPD bei der Aufklärung von Mordfällen hilft. Die Erstausstrahlung in den USA erfolgte am 27. September 2012 bei CBS, während die deutschsprachige Erstausstrahlung am 10. Januar 2013 auf Sat.1 begann. Im Mai 2015 wurde eine vierte Staffel bestellt. (Wikipedia)

Manche Serien haben eine gemütliche Atmosphäre durch die man sich in die Kindheit zurück versetzt fühlt. Als Kind habe ich gerne die Radiohörspielreihe Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen auf Deutschlandradio gehört und viele Fälle gelöst, was auch ein Grund dafür ist, warum ich diesen anspruchsvolleren Sherlock Holmes-Reboot besonders inspirierend finde. Andere Gründe wären der Handlungsort New York, der jugendliche Charme von Jonny Lee Miller, die ruhige Gelassenheit von Lucy Lius Dr. Joan Watson und nicht zuletzt die Filmsprache. Richtig: die Filmsprache, denn anders als im Fall der TV-Serie SHERLOCK, die vom ersten bis zum letzten Bild TV-Ästhetik atmet, mutet diese Serie filmischer an und das nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass ELEMENTARY  gefühlt zu 60 % in sehr gut eingerichteten Kulissen spielt, aber auch zu 40 % on location gedreht wurde. Der Slogan  der Serie „NEW HOLMES. NEW WATSON. NEW YORK.“ ist schon mal eine gute Inhaltsangabe.

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ELEMENTARY spielt im New York und, in der 2. Staffel, im London der Gegenwart. Die Serie ist atmosphärisch wesentlich dichter, psychologisch durchdachter und mit Angelina Jolies Exmann Jonny Lee Miller als Ex-Junkie Sherlock Holmes und Charlies Engel Lucy Liu als Dr. Joan Watson auch besser oder zumindest charismatischer besetzt als etwa SHERLOCK mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman. In Nebenrollen von ELEMENTARY agieren als Gueststars altbewährte Serienhasen  aus  DR. HOUSE, THE NEWSROOM, HOMELAND, oder MAD MEN & GAME OF THRONES. Und nicht zuletzt sind auch die Fälle in ELEMENTARY raffinierter als in der SHERLOCK-TV-Serie oder in Guy Ritchies Filmserie aufgebaut. Bonus:  Der altbekannte Sherlock Holmes-Stoff wurde einer konsequenteren Frischzellenkur unterzogen, sodass die Serie auch für Kenner aller Verfilmungen spannend bleibt.

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Dadurch reichen die Episoden von ELEMENTARY qualitativ an die oben erwähnten Radiohörspiele ran. Mit Spannung erwarte ich nun die neuen van Dusen-Folgen als auch die Hörspielreihe „Sherlock Holmes & Co“, einer weiteren  Hommage an Sherlock Holmes, in der in einigen Folgen Professor van Dusen und Hutchinson Hatch anstelle von Sherlock Holmes und Dr. Watson mitspielen. Das Wort mitspielen ist im Falle der professionellen Sprecher der Serie mit Bedacht gewählt, denn auch in diesen Produktionen tritt die crème de la crème deutscher Synchronsprecher vor das Mikrofon.

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Ein weiterer Filmtipp wäre der von mir bereits gesichtete MR. HOLMES (Bill Codon, GB/USA 2015) (Bundesstart: 24.12.2015) narrativ so zähflüssig wie im Kühlschrank gelagerter Honig, so ist der nostalgische Kinofilm doch zumindest eine Lektion in britischer Schauspielkunst, eine spannende Weiterführung der Lebensgeschichte der  Sherlock Holmes-Figur und sicherlich auch ein schönes Kinoerlebnis zur Weihnachtszeit.

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Copyright cinemaclaco & Wikipedia 2015: Bilder beim jeweiligen Rechteinhaber.

LE TOP 10: Französische Filmtage Leipzig & Cinéfête

de cinemaclaco

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Pour connaître tout le programme du Festival du Film Français cad 21. Französische Filmtage et de la Cinéfête, veuillez cliquer ici

  1. LA COUR DE BABEL
  2. L’ENFANT D’EN HAUT
  3. ENTRE AMIS
  4. FIDELIO, L’ODYSSÉE D’ALICE
  5. LA GLACE ET LE CIEL
  6. LE GOÛT DES MERVEILLES aka Le goût de herveilles
  7. LE MÉPRIS / UN MONSTRE À PARIS
  8. L’OMBRE DE FEMMES
  9. SAMBA
  10. VALLEY OF LOVE

    Copyright 2015: Projektgruppe Französische Filmtage. Tous droits réservés.

GEREIST: Kinematographischer Urlaub zwischen Neckar und Rhein

by cinemaclaco

Andere fahren, auch im Herbst, ans Meer, wenn sie sich in den Urlaub gegeben. Cinephile zieht es im Herbst für mehr Film nach — Mannheim. Seit mittlerweile dreißig Jahren veranstalten die Kuratoren des Quadrat Kinos, in Kooperation mit zahlreichen Verbänden, das Mannheimer Filmsymposium. Unter den Gästen befinden sich Cinephile und Cineasten jeder Couleur: Filmkritiker, Psychologen, Drehbuchautoren, Betreiber von Kommunalen Kinos, Schauspieler, Regisseure, Filmnerds und Filmwissenschaftler kommen im kleinsten Kino Mannheims zusammen, um sich über Film und Kino auszutauschen.  Dr. Peter Bär, einer der Veranstalter, merkte in seinen Abschlussworten am gestrigen Sonntag an, dass diese drei Tage im eigenem kulturellen Kino seine alljährliche „kulturelle Dusche“ seien. Ganz so arid ist das Kinoklima in Mannheim dann aber auch wieder nicht. Immerhin kann die Stadt mit dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg, mehreren Programmkinos, einem Kommunalen Kino, dem CinemaxX und dem Cineplex Planken mit einem für die Größe der Stadt verhältnismäßig breit aufgestellten Filmangebot aufwarten.

Jenseits des im Quadrat Kino stattfindenden Symposiums konnte ich dieses Jahr ein weiteres schmuckes Lichtspielhaus in Mannheim entdecken und im K2 gelegenen, alten Lichtspielhaus Atlantis 755b1auch gleich noch die Realität der global force von 007 miterleben. Der wunderschöne, mit Parkett und Rang mehrere hundert Sitze zählende, Saal im Großen Haus war wie leer gefegt. Wir saßen zu dritt (!) darin, während 850 Meter weiter der Mannheimer Cineplex im eng getakteten Rhythmus die Schlangen mit Kinogängern  für Spectre OV und Spectre Syncho abfertigte. Von der Architektur des Atlantis Kinos war ich hellauf begeistert. Von dem zur Passionsgeschichte hochstylisierten Biopic über einen egoistischen bzw. im Umgang mit anderen Menschen „schlecht programmierten“  Verkäufer und seinen Produkteinführungen von Plastikäpfeln gelangweilt bis kalt gelassen, fand auch ich mich zu späterer Stunde in eben jener Schlange der Bond-Aficionados wieder.

ma_Cineplex_Planken_Außenfront_bei_TagAls Leipzigerin habe ich mich an moderate Ticketpreise gewöhnt  und so verschlug es mir an der Kasse des Cineplex Planken dann doch die Sprache: 11€90 sollte einmal 007 kosten. Am Schalter nebenan kaufte sich jemand ein Kombi-Ticket für Film, Snack und Cola im Comfortstuhl, legte 20€ hin und bekam nur Kupfernes zurück. An diese zwei Kinoerfahrungen dachte ich zurück, als am kommenden Tag der Referent und Mannheimer Filmkritiker Joachim Kurz über Die Zukunft des Kinos oder: Das Kino der Zukunft sprechen sollte. Dem Kino, so führte er aus, wurden im Laufe der letzten 120 Jahre viele Klage- und Todesgesänge angestimmt. Er nummerierte diese Todesfälle strikt durch, beginnend bei Lumière Sr.s Einschätzung, dass es sich bei der Entwicklung seiner Söhne um eine Todgeburt handele. Der herbste Verlust sei der Tod n° 3 bei der Umstellung von Stumm- zum Tonfilm gewesen, denn mit ihm verstarb auch eine ganze Filmsprache. 1962 hieß es etwa anlässlich des ersten James Bondfilms – das Kino sei tot. François Truffaut ereiferte sich noch 17 Jahre später:

„the film that marks the beginning of the period of decadence in the cinema… Until then the role of the cinema has been by and large to tell a story in the hope the audience would believe it… For the first time throughout the world mass audiences were exposed to what amounts as a degradation of the art of cinema, a type of cinema which relates neither to life nor the romantic tradition but only to other films and always by sending them up.“ (François Truffaut über Dr. No)

Die aktuelle Grabesstimmung, oder nach Kurz, der Tod n° 9, hält nun auch schon wieder einige Jahre an und allmählich ist man sich sicher, dass das Kino als sozialer Ort weiterhin ein gutes Parkett für Großevents seien es Opern aus der Met oder aber Großproduktionen wie der neueste Bond zu bieten hat, im Rest des Jahres jedoch eher leer stehen wird. Merke: Kino als Austragungsort eines Events wächst, als Ort der Filme stirbt es. Oder das Kino ist tot, es lebe der Film!

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Zitate des Symposiums:

„Film ist eine Folterbank.“ (Michael Althen)

„Der Filmkritiker von Rang sei nur als Gesellschaftskritiker denkbar.“ (Siegfried Kracauer)

„Die Comic-Saga ist nur ein endlos verlängertes Video-Spiel, fürchterlich laut und fürchterlich stumpfsinnig.“ (Ponkie über Star Wars)

„Im Kino Schlafen heißt: dem Film vertrauen.“ (wahlweise: Lotte Eisner oder Jean-Luc Godard)

Auf Empfängen, in Diskussionsrunden und nach Vorträgen wurde sachlich diskutiert aber einmal auch, als die Front zwischen Machern und Theoretikern aufbrach, wie auf dem Schulhof gestritten.  Während des Symposiums schliefen manche – mitten in den Ausführungen zum Horrorfilm –  im Kinosaal. Ansonsten wurden aber auch zu später Stunde hellwach Filme angesehen. Passend zum diesjährigen Thema Zuschauer(T)räume kamen die selbst- und medienreflexiven Filme App – Der erste Second Screen Film (Bobby Boermanns, Niederlande 2013), Im Augenblick der Angst (Bigas Luna, Spanien 1987), Mach’s noch einmal, Sam (Herbert Ross, USA 1972) und Timecode (Mike Figgis, USA 2000) zur Aufführung. Diese Filme verdeutlichten einmal mehr das kleine Einmaleins der filmischen Darstellungen von Kinobesuchen und der Film-im-Film-Konstruktion: Die Liebe zum Film beinhaltet immer schon die Räumlichkeiten des Kinos, denn beides ist eng miteinander verbunden. Als Ausdruck von Cinephilie ist die Inszenierung der Kinosituation ein Kennzeichen der meisten Autorenfilme. Das Publikum wird im Film mit Stars besetzt. Und last but not least spiegelt sich das auf der Leinwand gezeigte fiktionale Geschehen vor oder im Fall von Timecode hinter der Leinwand in der fiktionalen Realität wider. In allen auf dem Symposium gezeigten Filmen scheint die Leinwand direkt mit ihrem Publikum zu sprechen und sowohl für Zuschauerträume als auch auch Alpträume zu sorgen.

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Der niederländische Film App entfachte eines der anregendsten Filmgespräche des Symposiums. Ist es schon interaktiv, wenn ein Film sich auf der Leinwand, einem neben der Leinwand aufgestellten Flip-Chart und auf den Smartphones der Mehrheit der Zuschauer abspielt? Tatsächlich führte die wenig ausgereifte Nutzung des Second Screens zu Unmut und Verärgerung. Das was man per Vibration schon Sekunden vorher auf dem second or third screen angekündigt bekam, hielt seine Versprechen nicht ein. Kamera-B-Einstellungen, klassisches Bonusmaterial v.a. aber narrative Abkürzungen oder Überholspuren wurden geboten. Auch die Chatfunktion entpuppte sich lediglich als statisches Einzelbild und nicht als Einladung zur Interaktion mit dem Film App, wie es sich die Meisten im Saal erhofft hatten. In der Serie Sherlock ist die Implementierung von Kommunikationsmitteln wie beispielsweise SMS wesentlich raffinierter gelöst. Das viele Licht im Saal lenkte von einer Verfügung zu Film ebenso ab, wie es schwer war Empathie für die Hauptdarsteller oder Akzeptanz für die Struktur des Filmes zu entwickeln. Im Endeffekt ist die App ein antiillusionistisches, unfilmisches Element, welches im Kino nix zu suchen hat. Zu diesem Schluss kommend stellten die Veranstalter postwendend auch das kostenfreie WLAN für den Rest der Tagung ab.

Was man sich sonst noch durch den Kopf gehen lassen konnte: Der Film holt uns mittels einer zwischen Schuss und Gegenschuss platzierten suture ab, d.h. u.a. die Einbeziehung des Publikums in den Film; in Deutschland gehen Traditionalisten und Familien mit Kleinkindern nicht ins Kino (Es werde Lichtspiel!, Andreas Hamburger),  der Filmkritiker muss sich entscheiden, schreibt für nun für sich selbst, die Oma in Bornheim im fünften Stock oder seinen Chefredakteur; Michael Althens Theorie des Films lautete „hingucken, halt!“; wer Kritiken liest, liest sie auf eigene Gefahr, der Kritiker darf alles erzählen auch das Ende des Films; Kritiker sind ein – wenn auch besonderer Teil – des Publikums, jeder der mehr als 200 Filme im Jahr sieht, zählt nicht mehr zum repräsentativen Publikum; Kritiker sind Vermittler; Ziel einer Filmkritik ist es einen guten Text abzuliefern; Irritation ist ein wichtiges Element der Filmkritik; mittels Filmkritik kann man einen Kanon  sehenswerter Filme vermitteln;  (Das Publikum des Kritikers, Rüdiger Suchsland), im Kino hat man per sinnlichen, rationalen, sozial-empathischen human factor/Publikumsvertrag eine klare Vorliebe für underdogs; Zugehörigkeit, Werte und Geben-und-Nehmen und Loyalität sind für den Fortgang von Filmhandlungen elementar (Der Zuschauer als Teil des filmischen Erzählens, Roland Zag), Zuschauer von Game of Thrones verarbeiten frühkindliche Traumata, während andere der Ekel direkt anspringt; Filmbilder erreichen das Unterbewusstsein über Affekte; nicht der Inhalt sondern der Stil eines Films ist ausschlaggebend, ob wir ihn mögen, er uns therapiert oder abstößt; ein Film ohne magische Verbindung lässt uns kalt; Filme können für unser inneres Gleichgewicht gefährlich sein (Aus Inhalt wird Struktur, Hannes König), Attraktion funktioniert beidseitig; Filme zu sehen, heißt einer Verführung im Sinne einer Vereinnahmung zu folgen; der Coolness-Faktor und die feine Inszenierung der ersten Fluchtszene des male melodrama Drive wird erst bei mehrfachen Sichten evident; auch an Filmhochschulen kann man einen Filmkanon nicht mehr voraussetzen bzw. es gibt keinen medienhistorischen Blick bei den Studierenden; der  Film, als temporäres Lichtspiel, hat die Macht das Raum/Zeitkontinuum aufzulösen; die Seduktionstheorie funktioniert auf drei Ebenen: der Film verführt mittels Trailer, Casting, Budget und Genrezugehörigkeit zu sich selbst, der Film verführt mittels expliziert formulierter Aussagen, die Metaebene enthält eine versteckte Verführung und ist nur mittels Analyse einsehbar; (Film als Verführung, Marcus Stiglegger), der erste überlieferte Vampirfilm der Filmgeschichte war Meliès‘ Le manoir du diable von 1896 (Wandelndes Grauen, Cornelia Tröger). In Bezug auf die zeitgleich stattgefundenen Attentate in Paris: Film ermöglicht Dinge zu sehen, die wir im Alltag nicht ertragen könnten. Filme sind immer Teil des gesellschaftlichen Prozesses.

In der Film-Kuss-Szene von Cinema Paradiso bleib vor Rührung blieb kein Auge trocken  und lachende Tränen flossen beim Supercut von Breaking the 4th Wall, der ähnliches footage verwendet wie dieser Clip.

In Vorträgen gezeigte Filmausschnitte: Amour, Cinema Paradiso, Django Unchained, Drive, Drowning by Numbers, L’Écume des jours, Fack ju Göhte, Game of Thrones, King Kong, Metropolis, Oh Boy, Phoenix, Tarantula, Les vancances de M. Hulot.

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In Anlehnung an Kafka hieß es dann gestern für mich und sicherlich alle Besucher des Mannheimer Filmsymposiums: In Mannheim gewesen. Geweint, gelacht und mit neuer Schaulust auf Filme – sei es auf dem Tablet, dem Handy oder im Kino, heimgekehrt. Aber wenn schon FlixBus meint: „Wir vermissen Dich! Bereit für Dein nächstes Abenteuer?‏“, dann …

© der Bilder beim jeweiligen Rechteinhaber und alles monnem


GELESEN/GESEHEN: Visualisierung des Ersten Weltkrieges in Anti/Kriegsfilmen

by cinemaclaco

„Der Krieg war für die Menschen meiner Generation die Zeit der Entdeckung des Films.“ (Alexandre Arnoux)

War films as a major film genre emerged after the outbreak of World War One.

Der Erste Weltkrieg, oder, wie die Briten und Franzosen sagen, der Große Krieg, war der erste Krieg, der von verschiedenen medialen Erfindungen profitierte und diese propagandistisch aber auch künstlerisch zu verwenden verstand. Bereits in der Vorkriegszeit und zu Kriegsbeginn entstanden in Europa Kurzfilme und mittellange Filme mit künstlerischen Anspruch, die Kriegsszenarien zum Thema hatten. Hierbei handelte es sich um dokumentarisch anmutende Nachrichten, Aktualitätsfilme und inszenierte Kriegsberichterstattungen.

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Von diesen Filmen sind jedoch nur wenige überliefert, was mehrere Gründe hat. Erstens sorgte die verstreichende Zeit für einen nicht unerheblichen Filmverfall: Das Nitromaterial der Filmstreifen zerfiel. Zweitens wurden Filme in der damaligen Zeit in keiner europäischen Nation archiviert, sondern,  kommerziell bedingt, vernichtet. Das was in Frankreich erhalten ist, verdankt sich dem Umstand, dass die Pathé lange Zeit  Filmkopienverkauf betrieb ehe die Firma zum Filmverleih überging. Trotz des an Filmen aus und zum Zweiten Weltkrieg vergleichsweise geringem Recherchematerials gilt als gesichert, dass sich die Filmgrammatik in den 1910er Jahren weltweit kontinuierlich weiter entwickelt hatte: Neue Techniken mit martialisch klingenden Bezeichnungen wie ‚Schuss‘ und ‚Gegenschuss‘ aber auch eine größere Beweglichkeit der Kamera und eye light matching wurden bereits in diesen Filmen angewendet. Der Schnitt oder die Montage erlaubten eine Emanzipation vom Vorbild Theater, welches fortan nur noch als Inspirationsquelle für filmische Stoffe als auch – in der Nobilitierungsphase vom Ladenkino zum Kinopalast – als Vorbild für die Abspielorte der Filme diente jedoch nicht mehr die Ästhetik der Filme beeinflusste.

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Interessanterweise war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg die Filmlandschaft noch nicht von kinematographischen Grenzen durchzogen. Die französischen Stars Suzanne Grandais und Yvette Andréydor arbeiteten z.B. im Deutschen Kaiserreich. Generell hatte Frankreich, nicht nur was seine vom Theater kommenden Stars sondern auch was die Filmproduktion anbelangte, eine Monopolstellung inne, die erst durch den Ersten Weltkrieg und zugunsten Hollywoods aufgegeben wurde. Noch im Jahr 1914 stammten 98% der im Kaiserreich laufenden Filme aus Frankreich. Konkurrenz erfuhren Pathé und andere französische Studios in jenen Tagen nur seitens italienischer Studios etwa der Itala oder durch das dänische Studio Nordisk Film. Durch den Ersten Weltkrieg wurde auch diese imaginäre Landkarte des Kinos neu umgesteckt.

Der Abbruch der Handelsbeziehungen mit Mitteleuropa und der Niedergang der Industrie begünstigte die Entwicklung der Filmindustrien in den Mittelmächten und in Russland. (Ulrike Oppelt)

Somit kann man von einer historisch bedingten Zäsur durch den Ersten Weltkrieg innerhalb der Filmwelt sprechen. Nach dem Ausbruch des weltweiten militärischen Konfliktes war die friedliche kinematographische Zusammenarbeit bei der Produktion von Stummfilmen für einige Jahre nicht mehr möglich. Während sich das französische Kino nur langsam vom Ausbruch des Krieges erholen sollte, profitierte jenes der Weimarer Republik nicht nur durch die Entstehung der UFA sondern auch von der Übernahme französischer Verleihfirmen.

Mit dem erfolgreichen Medium entstanden neue millionenschwere Produktionszweige. Obwohl die Wirtschaft außerhalb der Kriegsproduktion zwischen 1914 und 1918 herbe Verluste hinnehmen mußte, waren im Filmgeschäft große Gewinnspannen möglich. Die Zuschauerzahlen steigerten sich beinahe stündlich – relativ zum Gewinn war die Produktion eines Stummfilmes preiswert. (Judith Rakers)

Im Alltag der Europäer gewann das Kino im Laufe des Ersten Weltkrieges immer mehr Zulauf, dies beweisen die kontinuierlich steigenden Zuschauerzahlen. Und auch nach Kriegsende war jede einzelne Kinovorstellung gut besucht und der Film als Kulturprodukt von den bürgerlichen Schichten anerkannt. In allen kriegsführenden Ländern entstanden zwischen 1914 und 1918 Filme, die den Patriotismus im Land aber v.a. an der Front stärken sollten. Während in den 1910er Jahren im Deutschen Kaiserreich bereits Filme mit Kriegsthematik gedreht wurden, die als Einstimmung auf den von fast allen europäischen Nationalstaaten ersehnten Krieg dienten und diesen gewissermaßen bildlich vorwegnahmen, beschäftigte sich der französische Film zu dieser Zeit nicht mit dem Krieg.

An den Kriegsdrohungen und den sozialen Unruhen, die die französische Gesellschaft vor 1914 beunruhigten, nahm der französische Film zu dieser Zeit keinen Anteil. (Gregor Ulrich und Enno Patalas)

Doch nach dem Kriegseintritt Frankreich wurde auch dort der Film zur massenhaften Vermarktung des Krieges genutzt. Paradoxerweise wurden nach Kriegsausbruch die Studios beschlagnahmt, die luxuriösen Kinopaläste geschlossen und die Filmproduktion für sechs Monate still gelegt. Doch noch vor der Jahreswende und als sich abzeichnete, dass die Kriegshandlungen nicht zu Weihnachten beendet sein würden, kurbelte auch Frankreich seine Filmproduktion nun unter patriotischen Vorzeichen wieder an. Neben Militärstoffen wurden auch Filme in anderen Genren gedreht, nachdem sich langfristig abzeichnete, dass die Soldaten an der Front als auch die Zivilbevölkerung Ablenkung vom Kriegsgeschehen wünschte. Das Kino funktionierte in den Kriegsjahren als Erzieher, Moralapostel und Unterhalter. Berichte von der Front standen im engeren und weitern Zusammenhang mit den Kriegshandlungen und bedurften administrativer Anstrengungen.

Nicht nur die technischen Unzulänglichkeiten der schwerfälligen Kameraausrüstung und die äußerst restriktive Politik der militärischen Führungen, sondern der Charakter des industrialisierten Massenkrieges selbst verurteilte Versuche zum Scheitern, ihn filmisch zu erfassen. (Martin Baumeister)

So hatten alle entstanden filmischen Arbeiten eine Reenactmentcharakter. Die entstanden Aktualitätenbilder kamen oft mit Hilfe des Militärs zustande, welches geduldig seine Komparsenrolle im Kriegsbild ausübte und Geschichtsbuchtaugliche Szenerien an Nebenschauplätzen nachspielte.

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In den kommenden Jahren bestand das französische Kinoprogramm vornehmlich aus kommerziellen Filmen, die schon vor dem Krieg produziert worden waren und aus eigens für die Kriegsanstrengung hergestellten Filmen mit Titeln wie Mort au Champ d’Honneur, Les héros de l’Yser, Les poilus de la revanche oder Celui qui reste. Allen war ein heroisch stimmender Charakter mit Tendenz zum Melodram und v.a. zur Kriegsverherrlichung, die das eigentliche Kampfgeschehen und somit den Tod aussparte, gemein. Der in Endlosschleife gezeigten Filme war das französische Publikum an und hinter den Fronten alsbald leid. Auch die auf Heimaturlaub befindlichen Soldaten, die poilus, entlarvten diese Filmbilder als erfundene Bilder, die mit der realen – in den Schützengräben tagtäglich gelebten Erfahrung – nichts gemein hatten. Die Poilus lehnten in der Regel den Besuch solcher Filme ab.

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Um das Publikum nicht zu verlieren, setzten die Kinobetreiber infolge auf Episodenfilme, Komödien, Abenteuer- und Detektivfilme. Populär waren Vampirfilme aber auch die Fantômas-Serien von Louis Feuillade konnte an ihre Popularität von der Vorkriegszeit wieder anknüpfen. Jean-Pierre Jeancolas beschreibt das Kinoangeot und die tröstliche Funktion v.a. der Vampirfilme wie folgt:

Diese Filme stellten mit reicher Phantasie die gleichermaßen verführerischen Kräfte des Guten und des Bösen einander gegenüber; der Tod bedeutete zwar Bedrohung und Strafe, doch er zählte nicht wirklich, es gab in diesen Streifen mehr scheinbar Tote als wirklich Tote, es gab viel Spannung, doch wenig Schmerz. Der Episodenfilm war das genaue Gegenteil von dem, was das Leben wirklich war. Das Kino als Fluchtmöglichkeit – das war es, was die Zuschauer brauchten, die von der Front zurückkehrten noch mehr als die anderen

Das kommerziell erfolgreichste Genre in allen am Krieg beteiligten Länder war –  der Trivialfilm. In den USA warb folgerichtig der Slogan „Wenn Du Dich ermattet fühlst, geh ins Kino“ für die neue Freizeitgestaltung. Der Ort des Kinos fungierte nicht nur für Frauen und Heranwachsende in der Heimat als warmer Zufluchtsort und Möglichkeit das Kopfkino zum Verstummen zu bringen. In den seit 1915 bestehenden 400 französischen Frontkinos, die teilweise in Bahnhöfen untergebracht waren, wurden vom Filmdienst Le cinéma aux Poilus Filmabende organisiert. Überwiegend wurden Filme von Charlie Chaplin projiziert.

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Während es in Großbritannien eine landesweite Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gräuel des Kriegs, auch im Medium des Films, etwa in dem dokumentarischen Film The Battle of the Somme gab, unterblieb eine solche in Frankreich und dem Deutschen Kaiserreich. Wenngleich die deutsche Filmindustrie versuchte vom Erfolg von The Battle of the Somme, der in England dank einer Empfehlung des Königs große Zuschauerzahlen (ca. 20 Millionen) erreicht hatte, zu profitieren, indem sie ein Remake anfertigten, so musste der Versuch, der nur auf den Schauwert von Szenen setzte, scheitern. Dieser Film war so augenscheinlich Propaganda, dass er niemanden manipulieren oder auch nur interessieren konnte. So konnte Bei unseren Helden an der Somme trotz reißerischer Frontaufnahmen nicht das menschlich anrührende Moment des englischen Originals und mithin nicht seine Resonanz erreichen.

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In Frankreich entstanden 1917 mit Mater Dolorosa und im Folgejahr mit J’accuse!, beide von Abel Gance, Filme, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auf eine seriöse, sogar pazifistische Art auseinander setzten, indem sie jenseits von Kitsch und Pathos den Krieg als eine menschlich verursachte Katastrophe zeigten.

Durch eine speziell entwickelte Überblendungstechnik und unter Verwendung von authentischen dokumentarischen Material von Kriegshandlungen war der dreistündige Film des Franzosen die erste filmische Reaktion auf die Schrecken des 1. Weltkrieges (…). Die Toten des Weltkrieges waren auferstanden und sahen den Überlebenden in die Augen: „War es das große Opfer wert? Welchen Nutzen hat der Krieg dir gebracht? Was hast du getan als dein Mann getötet wurde? (Jean-Pierre Jeancolas)

Dieser Antikriegs-Film war auf lange Sicht ein weiterer Motor für die filmische Moderne. Er verstand es dem Publikum eine pazifistische Sicht auf den Krieg zu vermitteln, indem er die Dummheit des Zeitgeistes anklagte. Wenngleich auch Abel Gance nicht ganz frei von einer propagandistischen an einem Nationalstaat gebundenen Ideologie war, was v.a. in der Verwendung der Legende  von den boches deutlich wird, die die Hände von belgischen Kindern verstümmeln.

Als Antikriegsfilm wird ein Kino- oder Fernsehfilm bezeichnet, der einen Krieg thematisiert oder dessen Handlungsstrang ganz oder zum großen Teil in einem Kriegsszenario verläuft. Der Begriff Antikriegsfilm bezeichnet  Filme, in denen Leid und Schrecken des Krieges dem Zuschauer nahe gebracht werden. (Marcus Stiglegger)

Nach Kriegsende gab es weltweit kaum Filme, die sich in ihrer Narration explizit auf den Ersten Weltkrieg bezogen. Dies hängt zum einen mit den Verdrängungsmachinismen der ‚Lost Generation‘ zusammen. Zum anderen braucht es immer eine gewisse Zeitspanne bis historisch Einschneidendes verfilmt werden kann. Im Falle des Großen Krieges betrug diese Zeitspanne in Frankreich bis zum Erscheinen von L’équipage von Maurice Tourneur ganze 10 Jahre. Wenn man den Kanon der Spielfilme zum Ersten Weltkrieg in seiner chronologischen Entwicklung betrachtet, so fällt auf, dass es in Frankreich eine lange Tradition von Antikriegsfilmen gibt, die schon zu Kriegszeiten bei Abel Gance beginnt. In den USA wurde mit Charlie Chaplins Shoulder Armes ein erster Antikriegsfilm gedreht, der aufgrund von Chaplins Popularität international ausgewertet wurde. Im Kaiserreich hingegen wurden eine Vielzahl an Filmen gedreht, die der Propaganda dienten. Und auch zu Zeiten der Weimarer Republik wurden weiterhin Filme produziert, die den Weltkrieg am Rande thematisierten. Vergleicht man Spielfilme, die den Ersten Weltkrieg zum Thema haben mit jenen über den Zweiten Weltkrieg so fällt auf, dass die Mehrzahl der Filmklassiker zum Ersten Weltkrieg Antikriegsfilme sind, während man

in jedem der so zahlreichen Filme über den Zweiten Weltkrieg das Außergewöhnliche des Krieges erkennt. Kaum ein wirklicher Anti-Kriegsfilm ist darunter, keiner zumindest, der sich um eine Anonymisierung seines Schauplatzes (des zeitlichen wie des örtlichen) bemüht. Die Filme über den Zweiten Weltkrieg sind andere Filme: Heldenstücke und Männerkino, markig und fulminant. (…) Das Kino über die Toten von 1917 ist ein zeitloses Kino, es ist 1937 oder 1964 und 1970 entstanden und es entsteht noch heute. Eben deshalb ist es oft besser und politischer und brisanter als vieles, was über moderne und ansonsten weit häufiger diskutierte Schlachten zu Wege gebracht wurde. (Thorsten Henning, Politisches Kino- Ein Analyse-Versuch in Rezensionen, Hamburg, Eigenverlag)

Innerhalb des Filmkanons zum Ersten Weltkrieg hat sich ein Referenzsystem herausgebildet. In anderen Worten: Jeder Regisseur, der sich des Themas annimmt, wird von den Klassikern des Genres aber auch von gewissen Legenden des Großen Krieges für seine eigene, neue Arbeit inspiriert. Dabei sind es v.a. Szenen aus US-amerikanischen Spielfilmen der 1930er und 1940er Jahre, die in das Medien- oder kollektive Gedächtnis eingegangen sind. Die auf Erich Maria Remarques Roman A l’ouest rien de nouveau basierende Literaturverfilmung ist nahezu eine Anthologie berühmt gewordener Szenen. Zum Bildfundus des Ersten Weltkrieges gehörend, inspirierte Lewis Milestones Filmklassiker All Quiet on the Western Front z.B. die Schlusssequenz in Peter Weirs Gallipoli, welche zugleich von Robert Capas Photographie Mort d’un soldat républicain inspiriert ist.

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Wenn man den ganzen Bereich der Kriegs- und Antikriegsfilme überschaut, also auch Filme zum Koreakrieg und den Kriegen in Afghanistan mit hinzurechnet, so fällt auf, dass der Erste Weltkrieg kinematographisch einer Blaupause ähnelt, die auf andere geschichtliche Epochen übertragen wird. Oder rühren die Ähnlichkeiten zwischen den Anti/Kriegsfilmen daher, dass sie archetypische Situationen durchspielen, die jenseits der konkreten zeitlichen Verortung der Geschichte, die sie erzählen, als Versatzstücke fungieren, die fast beliebig in einem anderen Zeitrahmen und einem anderen Krieg versetzt werden können? Auffällig sind zudem die genretypischen Präferenzen für einen zweiten Handlungsstrang, der einem Liebesplot beinhaltet. Zudem wird eine Präferenz für typische Genderrollen augenscheinlich: Schauspielerinnen werden zumeist in die Rolle des trauernden Liebchens oder der aufopferungsvollen Krankenschwester und mithin in den Nebenstrang der Handlung abgedrängt, während Männer die Hauptrollen übernehmen, wobei deren Register dann schon breiter ausgestellt ist und vom zynischen Menschen verachtenden Offizier bis hin zum gebrochenen poilu reicht. Dabei ist empirisch bewiesen, dass Frauen in ihrer Berufswahl v.a. in der US-amerikanischen und englischen Armee nicht nur auf die Rolle der Krankenschwester beschränkt waren. Meines Wissens stellt dies aber nur der Hollywoodfilm Wings eindrücklich dar.

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Abschließend bleibt nur noch zu sagen, dass auch im Jahr 2015 und trotz Kathryn Bigelow das Genre des Anti/Kriegsfilmes eine reine Männerdomäne ist und das sowohl auf der Leinwand als auch hinter der Kamera und im Regiestuhl.

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GEHÖRT: Ohrwurm der Woche # 9

by cinemaclaco

Peggy Lee

NON DIMENTICAR und MY ROMANCE von Peggy Lee.

Die amerikanische Sängerin, Schauspielerin und Komponistin Peggy Lee, die in den vierziger Jahren mit Benny Goodmans Swing Band bekannt wurde, ist eine, wenn nicht gar die einzige, Sängerin, die ihre Lieder selbst komponierte. Peggy Lee agierte in einer Zeit in der Jazz durchaus noch eine populäre Musik war. Was ich an ihr besonders schätze, ist ihre spezielle Phrasierung. Peggy Lee soll einmal gesagt haben, dass sie am liebsten so singt wie sie im Alltag jemanden etwas erzählen würde. Das Resultat kann peppig wie in IT’S ALRIGHT WITH ME oder poppig wie A HARD DAY’S NIGHT sein. Sie kann sich zwinkernd wie in I AM A WOMAN, W.O.M.A.N. präsentieren oder aber melancholisch wie in LAST NIGHT WHEN WE WERE YOUNG. Kurz: Peggy Lee ist mit niemanden vergleichbar, was auch immer dann evident wird, wenn man sich einen Peggy Lee-Song von einem anderen   American Songbook-Interpreten anhört. Verglichen mit Peggy Lee zieht dann auch Frank Sinatra den Kürzeren.

Eine Empfehlung wäre daher Peggy Lees CD DREAM STREET.

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GENÄHT: Sewin‘ with X Files is Fun

by cinemaclaco

Der nächste Schritt in meiner Kissenproduktion ist heute geschehen. Anstatt das Kissen – ähnlich wie das Jane Austen-Lesekissen – in den Stoff einzunähen, habe ich nun ein Sitzkis7 Wonders Anasazi tundrasen mit Umschlag genäht.

Der verwendete Stoff stammt von Parson Gray und heißt Seven Wonders Anasazi.

„Anasazi ist eine indianische Kulturtradition in den US-Bundesstaaten Utah, Colorado, New Mexico und Arizona. Heute bezeichnet man die Anasazi entweder als ancestral puebloans oder, in der Sprache der Pueblo-Indianer, als Chacoans oder Hisatsinom. In der Navajo-Sprache bedeutet Anasazi „die Alten Feinde“ (sází „Vorfahre“).“ (wikipedia)

AnaDavid Duchovny als FBI-Agent Fox Mulder und Gillian Anderson als seine Kollegin Dana Scully in der amerikanischen TV-Serie sazi so hieß auch eine Episode der ursprünglichen X Files-TV-Serie, in welcher Agent Mulder eine verschlüsselte Diskette zugespielt wurde, die geheime Informationen über extraterrestrisches Leben auf der Erde enthielt.

Anasazi-Sitzkissen 2Für den Aufbau des Kissenbezuges habe ich mich an einem meiner IKEA-Bettbezüge orientiert, den Stoff zweifarbig in Blau (Oberfaden) und Grau (Unterfaden) gesäumt, sodann den Stoff rechts-auf-rechts gelegt, Platz für den Umschlag geschaffen und alles vernäht.

Anasazi-Sitzkissen 3Kostenpunkt für den Kissenüberzug zum Einstecken: Stoff und Garne: 11,98 €, Zeitfaktor: 15 Minuten.

Anasazi-Sitzkissen 4Et voilà! Das Akte X-Anasazi-Sitzkissen.

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