GESEHEN: cinematic world project N° 10 – 12

von cinemaclaco

Zurück zum cinematic world project: IM STRAHL DER SONNE (Vitaly Mansky, Russland/Deutschland/Tschechien/Lettland/Nordkorea 2015) ist eine dokumentarische Bestandsaufnahme des nach ideologischen Vorgaben gemaßregelten, bis ins letzte Detail inszenierten, politisch höchst korrekten Alltag einer nordkoreanischen Vorzeigefamilie. Dem Team des russischen Dokumentarfilmers Vitaly Mansky gelang es die Vorgaben der sich am Film beteiligenden Funktionäre zu umschiffen, indem sie sich entweder nicht an das Zeigeverbot des real existierten Alltags in Pjöngjang hielten, diesen ironisch kommentieren oder aber das Einwirken der Parteigenossen auf die Dreharbeiten gleichfalls zum Thema des Films machten. Nachdem man mehrfach dem Mechanismus der erzwungenermaßen, wiederholten Takes im Film beiwohnen konnte, hinterlässt sein Ende, ob der Authentizität der verzweifelten Tränen von Zin-mi, einen gewissen Zweifel beim Betrachter. Der Kunstgriff schmälert jedoch den Eindruck des Filmes in keinster Weise,  sondern bringt die politische Waagschale nach dem 90-minütigen nordkoreanischen Propagandaschwergewicht binnen von Sekunden wieder ins Lot. IM STRAHL DER SONNE hatte seinen Kinostart am 10.03.2016.

Auf dem kleinen Bildschirm habe ich mir zwei Arbeiten der kanadischen Regisseurin Ruba Nadda angesehen. Sowohl in CAIRO TIME (Kanada/Irland/Ägypten 2009) als auch in OCTOBER GALE (anglophones Kanada 2014) wirkt Patricia Clarkson als Hauptdarstellerin mit.

Bei beiden Filmen handelt es sich um unaufgeregte Charakterstudien einer berufstätigen Frau mittleren Alters, die innerhalb eines kurzen Zeitfensters und eines eng gesteckten Aktionsradiusses über sich selbst hinauswächst. In CAIRO TIME erkundet Clarksons Figur Juliette als alleinreisende Touristin, den von Männern dominierten, öffentlichen Stadtraum Kairos. Die am Nilufer gelegene Altstadt ist hierbei nicht nur als schöner Hintergrund der Beinaheromanze inszeniert. In OCTOBER GALE gibt eine Flusslandschaft den Rahmen für Helens ungewöhnlich turbulente Begegnung mit einem verletzten jungen Mann und einem Eindringling, der auf Rache aus ist. OCTOBER GALE sollte man nicht als Thriller rezipieren, denn mit dieser Erwartungshaltung an Genrekonventionen versperrt man sich selbst den Zugang zu diesem – mit Ausnahme des Filmendes –  stimmigen Frauenportrait. Während das luftige in der Schwebehalten der erotischen Spannung zwischen den Figuren Juliette und Tareq in CAIRO TIME reizvoll war, verärgert in OCTOBER GALE das plakative Interagieren zwischen Helen und Bill ebenso wie das dem Film angepappte Happy End.


© der Bilder beim jeweiligen Rechteinhaber

GESEHEN: Highlights der letzten Kinowoche

von cinemaclaco

Das Leipziger Schauspielhaus setzt gut und gerne Film und Videokunst in seinen Produktionen ein. Heute Nachmittag verzauberten – bei der Vorführung von DER ZAUBERER DER SMARAGDENSTADT – eher die Videos als das routiniert-hölzerne Theaterspiel die Erwachsenen im restlos ausverkauften Saal. Videokunst wurde an drei Punkten im Stück eingesetzt. Während der Auftakt an Stan Brakhages Experimentalfilm mit den Motten erinnerte, zitierten die Projektionen im Mittelteil des Theaterstücks die Silhouetten-Animationsfilme von Lotte Reiniger und zum Happy End des Stückes, wenn Elli nach Kansas zurückkehrt, wird der Alptraumsequenz aus Alfred Hitchcocks VERTIGO eine schöne Reminiszenz erwiesen. Auch im Bühnenbild bewegte sich die Inszenierung von Stephan Beer und Georg Burger im angenehmen kinematographischen Rahmen des expressionistischen Weimarer Stummfilmkinos.

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Foto: Rolf Arnold

Anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus zeigte der Verband Binationaler  Familien und Partnerschaften e.V. den italienischen Dokumentarfilm IO STO CON LA SPOSA in der Leipziger naTo. Selten wurde die Geschichte von Schutzsuchenden in poetischeren Bildern erzählt. Gabriele del Grande, Khaled Soliman al Nassiry und Antonio Augugliaro gelingt es in ihrem Film die Flucht von fünf Syrern durch die Festung Europa empathisch, teilweise auch sehr humorvoll, immer aber künstlerisch und menschlich sensibel zu dokumentieren. Wie in jeder Dokumentation gibt es auch in IO STO CON LA SPOSA einen nicht unerheblichen Anteil an gefilmten Interviews; dank der Vertrautheit zwischen Drehteam und Protagonisten muten diese nie statisch, oder gar inszeniert an, sondern passen sich als Gesprächssituationen homogen in den Handlungsverlauf ein. Wie die Filmemacher sind die meisten der fünf Geflüchteten politisch aktiv oder drücken sich mittels Kunst von Poetik bis Rap aus, insofern zeugt der Film von einer Harmonie zwischen syrischen, italienischen und palästinensischen Künstlern, die nicht nur in den poetischen Bildern sondern v.a. auf der innovativ genutzten Tonspur evident wird.

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Foto: Gina Films

Der bewegende Film wird in Leipzig vorerst nicht nochmals gezeigt werden, er tourt jedoch durch die Republik und wird im Mai u.a. in Berlin, Rostock, Hamburg und Marburg aufgeführt werden.


Copyright bei den jeweiligen Rechteinhabern

MEMENTO MORI 5

von cinemaclaco

QUENTIN TARANTINO (* 27.03.1963)

Quentin Jerome Tarantino ist nicht das fünfte Kind seiner Mutter, sondern ihr erster und einziger Sohn. Seine bei der Geburt 16-jährige Mutter sah für ihr Leben gern Filme, bekam das Kind zwar nicht im Kino, benannte ihn aber dennoch nach einer Figur in ihrer Lieblings-Westernserie. Mit seiner Mutter ging Quentin Tarantino sehr regelmäßig ins Kino. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, folglich verließ der Filmfreak mit 15 die High School, nahm Schauspielunterricht, versuchte sich als Schriftsteller und schrieb dann immerhin als Drehbuchautor für die Regisseure Tony Scott und Oliver Stone. Der junge Quentin Tarantino arbeitete nicht nur als Platzanweiser in einem Pornokino sondern auch als Videothekar in den Video Archives im kalifornischen Manhattan Beach. Dort sah er sich fast jede VHS selbst an, ehe er sie verlieh, baute sein enzyklopädisches Filmwissen auf und versuchte einen Roman über die skurrilsten Erlebnisse in der Videothek zu schreiben. Tarantino hat qua Geburt eine ganz besondere Schwäche für amerikanische Western. Sein Lieblingsregisseur ist und bleibt Howard Hawks, dessen Western RIO BRAVO er besonders verehrt und den er daher jeder potentiell neuen Partnerin vorführt. Nicht auszudenken was passiert, wenn die Herzensschöne, die vielleicht wie Angie Dickinson aussieht, nichts mit dem Film anzufangen weiß. Und umgedreht wäre sehr einfach eine Eintrittskarte in Tarantinos Herz zu gewinnen und das allein mit dem Wissen über die Querverweise zwischen Fred Zinnemanns 12 UHR MITTAGS und Howard Hawks Film.

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Ohne je eine reguläre Filmschule besucht zu haben, reüssierte er 1992 als Darsteller, Regisseur und Drehbuchautor mit dem Independentfilm RESERVOIR DOGS, was ihm den Ruf eines Wunderknabens vom Schlage Orson Welles‘ einbrachte. Grundlegende Regie- und Kamerakenntnisse hatte er sich während eines einmonatigen Studienaufenthaltes am, von Robert Redford gegründeten Sundance Institut, angeeignet. Volker Schlöndorff, seines Zeichens Regisseur und ehemaliger Regieassistent von Jean-Pierre Melville war dort einer seiner Lehrer. Tarantino gilt als wandelndes Filmlexikon und stilisiert sich auch gern als solches in Pressekonferenzen und bei Branchentreffen. Als Schauspieler ist er immer noch aktiv und agiert am Liebsten als Filmfreak gleichen Namens. Zuletzt versprühte der Ernst Lubitsch-Fan in Peter Bogdanovichs insgesamt recht unterhaltsamer Komödie BROADWAY THERAPY pure Cinephilie. Der Mann, der Zelluloid ausatmet, hat dennoch beschlossen insgesamt nur zehn Filme zu drehen. Es bleibt noch abzuwarten, ob er sich das PR-Geschick seines Regiekollegen Steven Soderbergh abgeschaut hat oder ob er nach dem Western THE HATEFUL 8 tatsächlich nur noch zwei weitere nicht-linear-chronologisch erzählte Genrefilme, die mit unzähligen Filmzitaten und privaten Vorlieben wie bspw. seinem Fetisch für schöne Frauenfüße gespickt sind, drehen wird.

FILMEMPFEHLUNG: PULP FICTION (Quentin Tarantino, USA 1994)


© Photo der Serie: Arne Reimer, Photo des Regisseurs: Mark Seliger, Text: cinemaclaco

MEMENTO MORI 4

 

von cinemaclaco

Die Reihe wird heute mit

SPIKE LEE (* 20.03.1957)

fortgesetzt. Im Bilderarchiv befand sich dieses Foto von einer DLL-Lesung, die vor Jahren im memento. stattfand. Links neben dem Blumenstrauß lugt kein Geringerer als Spike Lee hervor. Ebenfalls von der Partie sind Federico Fellini, Abel Ferrara (dessen Pasolini-Biopic man mit Spannung erwarten kann), David Fincher, John Huston, Alejandro González Iñárritu und Sergio Leone – welch‘ illustre Gesellschaft sich allein in diesem Bildausschnitt der vormaligen memento.-Regiewand versammelt hat!

Spike Lee in seiner vormaligen Umgebung

Es mag zwar etwas entlegen klingen, aber Michael Ciminos Kriegsdrama DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN soll der Auslöser für Shelton Jackson Lees Wunsch Filmregisseur zu werden gewesen sein; einen Wunsch den er dann, unterstützt von seinen an Kunst interessierten Eltern, mit einem Studium an der renommierten New Yorker Filmhochschule Tisch School in die Tat umsetzen sollte. Gegenwärtig zählt er zu den wichtigsten Wegbereitern des New Black Cinema. Bereits Spike Lees erster Spielfilm SHE’S GOTTA HAVE IT war eine Low-Budget-Produktion, bei der ausschließlich ein schwarzer Cast mitwirkte. Die Komödie hatte 1986 großen Erfolg. Dank DO THE RIGHT THING etablierte er sich endgültig als wegweisender afroamerikanischer Filmemacher. Und auch dieser ebenfalls unabhängig von den großen Studios umgesetzte Film zeigte erneut die Spannungen zwischen den Bewohnern von Brooklyn auf. Mit MO’BETTER BLUES, dem etwas undifferenzierten Portrait eines Jazz-Trompeters feierte Lee, Sohn eines Jazzmusikers, erstmals die afroamerikanische Musikkultur. In MALCOM X, einem seiner ambitioniertesten Projekte, wandte er sich, in Form eines Biopics, einem historischen Stoff zu, ohne den konventionellen Fallstricken des Genres zu erliegen.

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Filmen ist für Spike Lee – im doppelten Sinne des Wortes – eine Frage der Einstellung, denn eine Filmproduktion heißt für ihn immer auch sich politisch zu engagieren oder ganz konkret Missstände aufzuzeigen und Tabus zu brechen. So handeln sein Spielfilm 25 STUNDEN im Kern von der unterschwelligen Paranoia nach 9/11 und sein Dokumentarfilm ALS DIE DÄMME BRACHEN von den Zerstörungen und den Entbehrungen, die der Hurrikan Katrina nach sich zog. Lee hat bereits jetzt einen wichtigen Platz in der Filmgeschichte inne; er ist engagiert, streitbar, zeigt die Ungerechtigkeit und Selbstherrlichkeit der weißgewaschenen Filmindustrie auf und spricht auch den alltäglichen Rassismus seiner Regiekollegen wie z.B. jenen von Quentin Tarantino direkt an.  Künstlerisch ist er immer offen für neue Stile und Experimente, wie es auch sein neuer Film CHI-RAQ eindrucksvoll demonstriert. In den meisten seiner Filme unterläuft er gekonnt die Erwartungshaltungen des Publikums. Im ersten hollywoodtypischeren Genrefilm INSIDE MAN, einem Thriller mit Starbesetzung, spielt er unterhaltsam mit den Sehgewohnheiten des auf ein einfaches Schwarz-Weiß-Denken konditionierten Publikums. Hollywood ist für Spike Lee, der seine Filme fern der Studios und gelegentlich auch mittels Kickstarter finanziert, nur Mittel zum Zweck. An dieser Einstellung wird der ihm 2016 zugesprochene Ehrenoscar erst recht nichts ändern. Es handelt sich zudem um einen Oscar, den Spike Lee in der Mitte eines Boycotts gegen die Academy ob ihrer mangelnden Diversität in Bezug auf Filmsprachen und den ethnischen Background von Künstlern, selbstredend nicht in der eigentlichen Zeremonie entgegen nahm. Seine Spike Lee Joints (so die gängige Bezeichnung für seine Filmproduktionen in allen Vorspännen), werden weiterhin allein seinen Interessen und seinem untrüglichen Gespür für gesellschaftspolitische Missstände und nicht den gängigen Regeln der Filmindustrie folgen. Und deswegen wird ihm das berufliche Schicksal des grandios gescheiterten Regisseurs Michael Cimino letztlich auch erspart bleiben.

FILMEMPFEHLUNG: DO THE RIGHT THING (Spike Lee, USA 1989)


© Photo der Serie: Arne Reimer, Photos des Regisseurs: N.N., Text: cinemaclaco, mit einem Link zu Escobar300’s Blog

GESEHEN/GELESEN: Highlights der letzten Kinowoche

von cinemaclaco

Dank des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer bzw. des informativen und vorzüglich geschriebenen :logbuchs, das dem aktuellen Monatsmagazin als Beilage für Buchmessebesucher hinzugefügt ist, habe ich mich in den Kosmos von W. F. Hermans Roman Die Dunkelkammer des Damokles vertiefen können.

In der Besprechung hieß es, dass der Roman eine Kreuzung der Lieblingsmotive (d.h. falsche Blondinen, Doppelgänger, schuldig Unschuldige) des Masters of Suspense Alfred Hitchcock mit dem Stil Franz Kafkas und seinem Gespür für skurrile bis bedrohliche Atmosphären sei. Und tatsächlich erweist sich diese Einschätzung nicht als laute Marktschreierei oder gar reines Namedropping, sondern bildet einen sehr klug gewählten Referenzrahmen. Das Buch ist sehr atmosphärisch, hat ein großes kinematophisches Potential, sodass es dann doch erstaunlich ist festzustellen, dass bisher nur eine Verfilmung des Romans existiert.

Auf dem kleinen Bildschirm flimmerte diese Woche IO SONO L’AMORE (Luca Guadagnino, Italien 2009) und in einer Pressevorführung gab es A BIGGER SPLASH, die neueste Zusammenarbeit von Luca Guadagnino und Tilda Swinton zu sehen.

A BIGGER SPLASH (BS: 05.05.2016) ist ein interessantes Filmprojekt, handelt es sich doch um das Remake von den Filmen LA PISCINE und FIRST LOVE NEVER DIES, beide 1969 von Jacques Deray gedreht. (Bei allen drei Filmen handelt es sich im Übrigen um französisch-italienische Koproduktionen.) Gegen Ende der 1960er Jahre war es bereits keine gängige Praxis mehr zwei Sprachversionen ein und des selben Filmes herzustellen. Das Synchronisieren von Filmen erwies sich bereits als kostengünstigere Möglichkeit Filme ohne Sprachbarrieren ins Ausland zu verkaufen. In der bekannteren Version sprechen sowohl die französischen Schauspieler Alain Delon und Maurice Ronet als auch die aus Österreich stammende Romy Schneider  und die Britin Jane Birkin akzentfreies Französisch. Jedes Take wurde im Anschluss für den US-amerikanischen Markt im lupenreinen Englisch wiederholt. Es ist durchaus spannend sich beide Filme im Vergleich anzusehen. V.a. Alain Delon spielt in der englischen Version deutlich besser als in jener, die er in seiner Muttersprache absolviert. In beiden Film verweist Deray in einer Sequenz auf die Herstellungsgeschichte der Produktionen. Die laszive Penelope sitzt in der Küche und rollt versonnen zwei Brotkügelchen und sinniert darüber warum auch Dinge die sich ähneln nie völlig identisch sein können. Im Remake fragt die nicht weniger laszive Pam ganz direkt welches der drei – sich auf dem ersten Blick ähnelnden – Bilder Marianne am besten gefiele. Diese deutet ohne Umschweife auf einen Bilderrahmen. Ich denke den meisten Zuschauern der drei Filme wird es hingegen schwerfallen einen zum eindeutigen Liebling zu küren.

A BIGGER SPLASH greift den Plot der beiden Vorgängerfilme auf. Marianne (Romy Schneider) und Jean-Paul (Alain Delon) verbringen ihre Ferien im Landhaus eines verreisten Freundes bei St. Tropez. Da taucht unerwartet der Plattenproduzent Harry (Maurice Ronet) auf. Er handelt sich um einen langjährigen Freund Jean-Pauls, und Marianne war seine Geliebte, bis sie vor zwei Jahren bei ihm Jean-Paul kennen lernte. Harry bringt seine 18-jährige Tochter Penelope (Jane Birkin) mit, von deren Existenz weder Jean-Paul noch Marianne vorher etwas wussten. „Eine Jugendsünde“, erklärt der Playboy achselzuckend. Eigentlich wollte Harry dem befreundeten Paar nur einen kurzen Besuch abstatten, denn er ist unterwegs, um Penelope Italien und Südfrankreich zu zeigen. Aber Marianne lädt die beiden ein, zu bleiben. In THE BIGGER SPLASH wurden die Figuren leicht umbenannt, aus Jean-Paul wird Paul (Matthias Schoenaerts), Penelope wird zu Pam (Dakota Johnson) umgetauft. Allein die von Tilda Swinton gespielte Marianne und der von Ralph Fiennes bestens aufgelegte Harry behalten ihre Figurennamen. Ort des Geschehens ist im Remake ein traumhaft schönes Sommerhaus in Süditalien.

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Die Handlung – keine Dreiecks-, sondern eine Vierecksgeschichte – der Vorlagen spielt sich vorwiegend am Swimmingpool eines Landhauses bei St. Tropez ab und mutet daher wie ein Kammerspiel an. Oberflächlich betrachtet, sieht es in LA PISCINE/FIRST LOVE NEVER DIES zunächst wie eine Idylle der Erotik und des Müßiggangs aus; unterschwellig bauen sich jedoch Eifersucht, Hass und Rachegefühle auf, die in einem Mord eskalieren. Das Geschehen spiegelt sich vorwiegend in den Mienen und Gesten der hervorragenden Schauspieler ab. Die klare Inszenierung des Dramas und das Fokusieren der Handlung in einem streng abgesteckten Raum, machen neben der erstklassigen Besetzung den Charme von Jacques Derays Filmen aus.

A BIGGER SPLASH ist hingegen, wenngleich ebenfalls erstklassig besetzt, wesentlich gesprächiger. Alles wird ausdiskutiert, jede Gefühlslage der Figuren ausgeleuchtet und jedes gemeinsame verlebte Zipfelchen Vergangenheit in Rückblenden überdeutlich erörtert. Dadurch verliert der Film an Spannung und – ja, auch an Charme.

Sehr ausgefranstes und ausgebranntes Popcornkino bot in der letzten Kinowoche der dritte Teil bzw. der erste Part des letzten Installments von THE DIVERGENT SERIES: ALLEGIANT (Robert Schwendtke, USA 2016). Der Blockbuster (BS: 17.03.2016) ist dermaßen vorhersehbar, dass man als filmerfahrener Kinogänger mit anderen Kinobesuchern Wetten darüber abschließen kann, was wohl innerhalb der nächsten 10 Minuten passieren könnte. Falls man um Geld wettet, wird man innerhalb von zwei Stunden einen nicht geringen Betrag gewinnen. Die Drehbuchautoren stiefeln schnurstracks von einer Standardsituation in die nächste hinein und lassen die Figuren zumeist auch nur das übliche Arsenal an verwunderten, aus nicht mehr als zehn Wörtern bestehenden, Fragen abspulen. Während durch den Vorgänger INSURGENT noch einen Hauch von Philosophie wehte, setzt der dritte Teil der Saga auf technischen Schnickschnack und am Computer gebastelte Schauwerte. Einzig die Chemie zwischen den Hauptfiguren Tris (Shailene Woodley) und Four (Theo James) überzeugt in diesem überlangen Streifen.

Eine freudige Überraschung lieferte hingegen der Disney-Animationsfilm ZOOMANIA, der für einen Film, der sich hauptsächlich an Kinder richtet, mit einem überraschend hohem selbstreflexiven Potential aufwartet. ZOOMANIA zitiert einiges aus der Filmgeschichte beispielsweise THE GODFATHER und macht auch nicht vor einem Medley von Angela Merkels Fernsehauftritten halt. Die Reminiszenz an den Überfilm DER PATE fällt auch deswegen für deutsche Ohren so authentisch aus, weil Robert de Niros Synchronsprecher Christian Brückner diese Sprechrolle übernommen hat.

PS: A BIGGER SPLASH läuft ab dem 05.05.2016 in der Leipziger Passage.


Copyright bei den jeweiligen Rechteinhabern

MEMENTO MORI 3

von cinemaclaco

LUC DARDENNE (* 10.03.1954)

Die Dardenne-Brüder agieren fast immer im Doppelpack, so war das in ihrer – in einem Industrievorort der belgischen Provinz Liège verbrachten – Jugend und so ist es noch heute. Nach einem gemeinsamen Dramaturgiestudium an der Kunstakademie Brüssel drehten Jean-Pierre und sein Bruder Luc, der zuvor Philosophie studiert hatte, einige Videos. Stark beeindruckt von ihrer Begegnung mit dem monegassischen Filmemacher Armand Gatti entschieden die zwei Cinephilen, die einen exzellenten Filmgeschmack haben, fortan – zusammen – Spielfilme zu drehen.

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Jean-Pierre Dardenne und Luc Dardenne

1996 gelang ihnen mit DAS VERSPECHEN ein äußerst vielschichtiger Film, der ein internationaler Erfolg und auf zahlreichen Festivals mit Preisen ausgezeichnet wurde. Zugleich wurde der Schauspieler Jérémie Renier entdeckt, mit dem die Dardennes seitdem in weiteren Filmen zusammen gearbeitet haben. Für ROSETTA wurden sie 1999 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Der Film, der, wie fast alle Filme der Brüder, im prekarisierten Milieu spielt, löste in Belgien konstruktive Debatten zum Thema Jugendarbeitslosigkeit aus und veranlasste Politiker einen sog. Rosetta-Plan zu verabschieden. Jean-Pierre und Luc Dardenne geben sich bescheiden und sagen über ihre Filmografie: „Wie sind nicht Spielberg. Er hat Erfolg. Wir nicht.“ In Cannes sahen das die Entscheidungsträger und diverse Jurys anderes. Ihre zweite Palme erhielten die beiden für den Film DAS KIND. In der Folge feierten fast alle Filme der Belgier ihre Premieren in Cannes. Was man in Bezug auf die Selbsteinschätzung der beiden Brüder nicht vergessen sollte, ist, dass sie sich in einem völlig anderen Filmuniversum als Steven Spielberg bewegen, in einem, in dem Filmkunst und Sozialphilosophie harmonieren.

FILMEMPFEHLUNG: DAS KIND (Jean-Pierre und Luc Dardenne, Belgien/F 2005)


© Photo der Serie: Arne Reimer, Photo der Regisseure: GODLIS, Text: cinemaclaco

MEMENTO MORI 2

von cinemaclaco

STANLEY KUBRICK (26.7.1928 – 7.3.1999)

Filmempfehlung: The Killing – Die Rechnung ging nicht auf (Stanley Kubrick, USA 1956)

Zum 13. Geburtstag bekam Kubrick von seinem Vater eine Kamera geschenkt, mit der er von dem damals noch relativ unbekannten Schauspieler Montgomery Clift ein Foto machte, welches er an das Magazin Look verkaufte. Als Siebzehnjähriger wurde er dann von Look angestellt.

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1950 drehte er seinen ersten Film, einen kurzen Dokumentarfilm über einen Boxer, dem zwei weitere Dokumentationen folgten. 1953 inszenierte er sein von der Kritik sehr gut aufgenommenes Spielfilmdebüt FEAR AND DESIRE, mit dem er jedoch so unzufrieden war, dass er jede einzelne Kopie aufkaufte. Kubrick war ein Perfektionist und duldete Mittelmäßigkeit nicht. Mit DER TIGER VON NEW YORK und dem Film noir DIE RECHNUNG GING NICHT AUF machte er Hollywood auf sich aufmerksam. Der Schauspieler und Produzent Kirk Douglas war von Kubricks Genie bei den gemeinsamen Dreharbeiten von WEGE ZUM RUHM so beeindruckt, dass er ihn als Regisseur des Monumentalfilms SPARTACUS engagierte, in dem er selbst die Titelrolle übernahm. Diese nicht unbedingt harmonische Zusammenarbeit zweier Egomanen wird konzise in dem aktuell in Kinos laufenden Film TRUMBO thematisiert.
„Hinter meiner Themenwahl steht keine bewusste Absicht. Der mehr oder minder einzige Faktor besteht darin, mich nicht zu wiederholen.“ versicherte der Meister in einem Interview. Und tatsächlich hat Stanley Kubrick, der in allen Genren drehte und in allen fertig gestellten Arbeiten Großartiges leistete und unter Beweis stellte, wie gut er das Muster von Film noir, Kostümfilm, Kriegsfilm, Sci-Fi oder Thriller verstand, sich nie wiederholt.  Ja, er hat sogar jedem Genre etwas Neues hinzugefügt. Kubricks Werk ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Film- und Kunstgeschichte der 20. Jahrhunderts.

© Photo der Serie: Arne Reimer, Photo des Regisseurs: Stanley Kubrick für Look, Text: cinemaclaco