von cinemaclaco
Dank des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer bzw. des informativen und vorzüglich geschriebenen :logbuchs, das dem aktuellen Monatsmagazin als Beilage für Buchmessebesucher hinzugefügt ist, habe ich mich in den Kosmos von W. F. Hermans Roman Die Dunkelkammer des Damokles vertiefen können.
DIE DUNKELKAMMER DES DAMOKLES
Willem Frederik Hermans
In der Besprechung hieß es, dass der Roman eine Kreuzung der Lieblingsmotive (d.h. falsche Blondinen, Doppelgänger, schuldig Unschuldige) des Masters of Suspense Alfred Hitchcock mit dem Stil Franz Kafkas und seinem Gespür für skurrile bis bedrohliche Atmosphären sei. Und tatsächlich erweist sich diese Einschätzung nicht als laute Marktschreierei oder gar reines Namedropping, sondern bildet einen sehr klug gewählten Referenzrahmen. Das Buch ist sehr atmosphärisch, hat ein großes kinematophisches Potential, sodass es dann doch erstaunlich ist festzustellen, dass bisher nur eine Verfilmung des Romans existiert.
Auf dem kleinen Bildschirm flimmerte diese Woche IO SONO L’AMORE (Luca Guadagnino, Italien 2009) und in einer Pressevorführung gab es A BIGGER SPLASH, die neueste Zusammenarbeit von Luca Guadagnino und Tilda Swinton zu sehen.
IO SONO L’AMORE
A BIGGER SPLASH
A BIGGER SPLASH (BS: 05.05.2016) ist ein interessantes Filmprojekt, handelt es sich doch um das Remake von den Filmen LA PISCINE und FIRST LOVE NEVER DIES, beide 1969 von Jacques Deray gedreht. (Bei allen drei Filmen handelt es sich im Übrigen um französisch-italienische Koproduktionen.) Gegen Ende der 1960er Jahre war es bereits keine gängige Praxis mehr zwei Sprachversionen ein und des selben Filmes herzustellen. Das Synchronisieren von Filmen erwies sich bereits als kostengünstigere Möglichkeit Filme ohne Sprachbarrieren ins Ausland zu verkaufen. In der bekannteren Version sprechen sowohl die französischen Schauspieler Alain Delon und Maurice Ronet als auch die aus Österreich stammende Romy Schneider und die Britin Jane Birkin akzentfreies Französisch. Jedes Take wurde im Anschluss für den US-amerikanischen Markt im lupenreinen Englisch wiederholt. Es ist durchaus spannend sich beide Filme im Vergleich anzusehen. V.a. Alain Delon spielt in der englischen Version deutlich besser als in jener, die er in seiner Muttersprache absolviert. In beiden Film verweist Deray in einer Sequenz auf die Herstellungsgeschichte der Produktionen. Die laszive Penelope sitzt in der Küche und rollt versonnen zwei Brotkügelchen und sinniert darüber warum auch Dinge die sich ähneln nie völlig identisch sein können. Im Remake fragt die nicht weniger laszive Pam ganz direkt welches der drei – sich auf dem ersten Blick ähnelnden – Bilder Marianne am besten gefiele. Diese deutet ohne Umschweife auf einen Bilderrahmen. Ich denke den meisten Zuschauern der drei Filme wird es hingegen schwerfallen einen zum eindeutigen Liebling zu küren.
FIRST LOVE NEVER DIES
LA PISCINE
A BIGGER SPLASH greift den Plot der beiden Vorgängerfilme auf. Marianne (Romy Schneider) und Jean-Paul (Alain Delon) verbringen ihre Ferien im Landhaus eines verreisten Freundes bei St. Tropez. Da taucht unerwartet der Plattenproduzent Harry (Maurice Ronet) auf. Er handelt sich um einen langjährigen Freund Jean-Pauls, und Marianne war seine Geliebte, bis sie vor zwei Jahren bei ihm Jean-Paul kennen lernte. Harry bringt seine 18-jährige Tochter Penelope (Jane Birkin) mit, von deren Existenz weder Jean-Paul noch Marianne vorher etwas wussten. „Eine Jugendsünde“, erklärt der Playboy achselzuckend. Eigentlich wollte Harry dem befreundeten Paar nur einen kurzen Besuch abstatten, denn er ist unterwegs, um Penelope Italien und Südfrankreich zu zeigen. Aber Marianne lädt die beiden ein, zu bleiben. In THE BIGGER SPLASH wurden die Figuren leicht umbenannt, aus Jean-Paul wird Paul (Matthias Schoenaerts), Penelope wird zu Pam (Dakota Johnson) umgetauft. Allein die von Tilda Swinton gespielte Marianne und der von Ralph Fiennes bestens aufgelegte Harry behalten ihre Figurennamen. Ort des Geschehens ist im Remake ein traumhaft schönes Sommerhaus in Süditalien.

Die Handlung – keine Dreiecks-, sondern eine Vierecksgeschichte – der Vorlagen spielt sich vorwiegend am Swimmingpool eines Landhauses bei St. Tropez ab und mutet daher wie ein Kammerspiel an. Oberflächlich betrachtet, sieht es in LA PISCINE/FIRST LOVE NEVER DIES zunächst wie eine Idylle der Erotik und des Müßiggangs aus; unterschwellig bauen sich jedoch Eifersucht, Hass und Rachegefühle auf, die in einem Mord eskalieren. Das Geschehen spiegelt sich vorwiegend in den Mienen und Gesten der hervorragenden Schauspieler ab. Die klare Inszenierung des Dramas und das Fokusieren der Handlung in einem streng abgesteckten Raum, machen neben der erstklassigen Besetzung den Charme von Jacques Derays Filmen aus.
A BIGGER SPLASH ist hingegen, wenngleich ebenfalls erstklassig besetzt, wesentlich gesprächiger. Alles wird ausdiskutiert, jede Gefühlslage der Figuren ausgeleuchtet und jedes gemeinsame verlebte Zipfelchen Vergangenheit in Rückblenden überdeutlich erörtert. Dadurch verliert der Film an Spannung und – ja, auch an Charme.
Sehr ausgefranstes und ausgebranntes Popcornkino bot in der letzten Kinowoche der dritte Teil bzw. der erste Part des letzten Installments von THE DIVERGENT SERIES: ALLEGIANT (Robert Schwendtke, USA 2016). Der Blockbuster (BS: 17.03.2016) ist dermaßen vorhersehbar, dass man als filmerfahrener Kinogänger mit anderen Kinobesuchern Wetten darüber abschließen kann, was wohl innerhalb der nächsten 10 Minuten passieren könnte. Falls man um Geld wettet, wird man innerhalb von zwei Stunden einen nicht geringen Betrag gewinnen. Die Drehbuchautoren stiefeln schnurstracks von einer Standardsituation in die nächste hinein und lassen die Figuren zumeist auch nur das übliche Arsenal an verwunderten, aus nicht mehr als zehn Wörtern bestehenden, Fragen abspulen. Während durch den Vorgänger INSURGENT noch einen Hauch von Philosophie wehte, setzt der dritte Teil der Saga auf technischen Schnickschnack und am Computer gebastelte Schauwerte. Einzig die Chemie zwischen den Hauptfiguren Tris (Shailene Woodley) und Four (Theo James) überzeugt in diesem überlangen Streifen.
Eine freudige Überraschung lieferte hingegen der Disney-Animationsfilm ZOOMANIA, der für einen Film, der sich hauptsächlich an Kinder richtet, mit einem überraschend hohem selbstreflexiven Potential aufwartet. ZOOMANIA zitiert einiges aus der Filmgeschichte beispielsweise THE GODFATHER und macht auch nicht vor einem Medley von Angela Merkels Fernsehauftritten halt. Die Reminiszenz an den Überfilm DER PATE fällt auch deswegen für deutsche Ohren so authentisch aus, weil Robert de Niros Synchronsprecher Christian Brückner diese Sprechrolle übernommen hat.
PS: A BIGGER SPLASH läuft ab dem 05.05.2016 in der Leipziger Passage.
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