MEMENTO MORI 26

KEN LOACH

*17.6.1936 in Nuneaton, England

Sein Vater war Arbeiter in einer Maschinenfabrik. Loach ist seiner Herkunft aus der Arbeitsklasse bis heute treu geblieben; die Auseinadersetzung mit den Lebensbedingungen des Proletariats bestimmen sein Filmwerk. Nachdem Loach am der St. Peters College Jura studiert hatte, begann er als Schauspieler an einem Tourneetheater und wechselte 1964 zum Fernsehen. Er arbeitete für die BBC, wo er ebenso wie MIKE LEIGH und STEPHEN FREARS große Freiheiten hatte. Loach entwickelte dort die berühmt gewordene Fernsehspielreihe The Wednesday Play.

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Nach seinem Filmdebüt POOR COW – GEKÜSST UND GESCHLAGEN, drehte er mit KES 1969 ein Drama, das heute als bester britischer Film aller Zeiten gilt. Seine Filme stehen in der Tradition des italienischen Realismus, den er zu einem britischen Sozialrealismus weiterentwickelte. Dem bekennenden Trotzkisten wurde besonders in der Thatcher-Ära das Drehen erschwert. Daher ist Loach erst später als einer der besten europäischen Filmemacher anerkannt worden ohne jedoch in seiner Heimat den prestigreichen BAFTA AWARD  zu erhalten. Nahezu alle Filme Loachs waren auf Filmfestivals vertreten und gewannen insgesamt 69 Preise: z.B. 2006 die Goldene Palme für THE WIND THAT SHAKES THE BARLEY oder die diesjährige für I, DANIEL BLAKE.

Unsere Empfehlungen: SWEET SIXTEEN, JUST A KISS und IT’S A FREE WORLD


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MEMENTO MORI 25

von cinemaclaco

RAINER WERNER FASSBINDER

(31.5.1945 – 10.6.1982)

Rainer Werner Fassbinder galt seinerzeit als provozierendes Wunderkind des Neuen Deutschen Films, postum wird er als Klassiker gehandelt. Zusammen mit Freunden wie Hanna Schygulla, Ulli Lommel, Barbara Sukowa und Ingrid Caven hat der Autodidakt, nach einer erfolglosen Bewerbung an der DFFB, innerhalb von 13 Jahren, über 40 Kino- und Fernsehfilme gedreht. Als großer Verehrer der Melodramen von DOUGLAS SIRK schuf er unter dem Titel ANGST ESSEN SEELE AUF mit Brigitta Mira und El Hedi ben Salem ein Remake von Sirks Film WAS DER HIMMEL ERLAUBT.

Fassbinder war ein eifriger Kinogänger, so sah er sich JEAN LUC GODARDs DAS LEBEN DER NANA S. siebenundzwanzig Mal an, einen Film, der – zusammen mit Buñuels VIRIDANA – in seinem Leben und für seine Arbeit wichtige Referenzpunkte gewesen seien. Anders als GODARD suchte Fassbinder erfolgreich den Weg zum großen Publikum, ohne künstlerische Abstriche machen zu müssen. Das beweisen die Erfolge von HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN, LOLA und DIE EHE DER MARIA BRAUN.

FILMEMPFEHLUNG: DIE EHE DER MARIA BRAUN (R.W.FASSBINDER, BRD 1979)


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memento. mori 24

von cinemaclaco

Mittlerweile ist die Leipziger Programmvideothek seit 3 Monaten geschlossen; eine Nachricht, die ganz offensichtlich noch nicht alle Cinephilen der Stadt erreicht hat, wollte doch just heute wieder jemand im memento. einen Film aus der Regiewand entleihen.

Die Regisseure der Nouvelle Vague, einem aus den Kritikern der Cahiers du Cinéma bestehenden Zusammenschluss von Filmemachern, die sich im Nachkriegsfrankreich nichts Geringeres als eine Erneuerung der Filmsprache auf die Fahren geschrieben hatten, waren in der memento.-Regiewand vollzählig vertreten. Neben den Galionsfiguren Jean-Luc Godard, François Truffaut und Claude Chabrol hielt sich Alain Resnais – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – jedoch etwas im Schatten.

ALAIN RESNAIS

(03.06.1922 – 01.03.2014)

Bereits als Jugendlicher experimentierte Resnais mit Schmalfilm und drehte einen Super-8-Film über Fantômas. Nach dem Abitur war es sein erstes Ziel, Schauspieler zu werden. Er belegte 2 Jahre lang Schauspielkurse, studierte dann Film an der IDHEC (La Fémins) in Paris und drehte nach dem Krieg eine Reihe von Kurzfilmen über berühmte Künstler. Neben Bildender Kunst, Literatur und Comics prägten Chansons sein filmisches Werk. Für sein Debüt verfilmte Resnais 1959 etwa einen Text von Marguerite Duras. HIROSHIMA MON AMOUR – HIROSHIMA, MON AMOUR ist bereits fragmentarisch erzählt. Das Werk zählt heute, ebenso wie sein Nachfolgeprojekt, zu den Klassikern der Nouvelle Vague.

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„Ich möchte Filme machen, die sich wie eine Skulptur anschauen und wie eine Oper anhören“, sagte Resnais 1961 in einem Interview zu seinem zweiten langen Spielfilm L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD – LETZTES JAHR IN MARIENBAD, den er als Gesamtkunstwerk verstanden wissen wollte. Hierbei handelt es sich um ein filmisches Rätsel über die Erinnerung und das Vergessen, das wiederum eine Verfilmung eines Nouveau Roman von Alain Robbe-Grillet ist. Die Radikalität seines Frühwerkes sichert Resnais einen Platz unter den modernen Erneuerern des Kinos. Sein Alterswerk z.B. CŒURS – HERZEN war hingegen von einer nachgerade störenden Künstlichkeit geprägt, die auch seine Ehefrau, die versierte Schauspielerin Sabine Azéma nicht zu überspielen vermochte.

Filmempfehlung: NUIT ET BROUILLARD – NACHT UND NEBEL (Alain Resnais, Frankreich 1955)


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GESEHEN: SKY – DER HIMMEL IN MIR

von cinemaclaco

Dass Romy (Diane Kruger) und ihr französischer Ehemann Richard (Gilles Lellouche) sich auseinander gelebt haben, offenbart sich auf den ersten Blick. Sie bereisen gemeinsam den Westen der USA und sind dennoch nicht zusammen unterwegs. Während sich Romy für Fotografie, Americana und indianische Kulturen interessiert, befände Richard sich lieber samt Cocktailschirmchen an einem Südseestrand. So unterschiedlich die Interessen bei der Urlaubsplanung sind, so verschieden ist das Paar und es grenzt an ein Wunder, dass sie es 8 Jahre miteinander ausgehalten haben. So fragt er sich laut, was sie eigentlich in Bombay Beach machen würden und sie begründet die Wahl des Ausflugsortes damit, dass sie sich dort an einem Ort der Verwüstung oder genauer im Epizentrum eines Erdbebens befänden. Auch das Konfliktpotential der beiden Reisenden soll sich in Bombay Beach Bahn brechen.

Der Beginn von Fabienne Berthauds SKY verhandelt diese Partnerschaftskonflikte in Beschleunigungsmontagen und zelebriert ganz nebenbei die Faszination von uns Europäern für Kultorte wie die Route 66, für die unendlich weiten Landschaften sowie für alles typisch Amerikanische und seien es metallene überdimensionale Briefkästen mit kleinen roten Plastikflaggen.Roland Barthes, ein französischer Philosoph, der sich 1957 an den Mythen des Alltags abgearbeitet hat, hätte seine helle Freude an Berthauds Inszenierung und Fetischisierung von amerikanischen Orten wie Autos, Diners, Motels oder aber der amerikanischen Essenskultur gehabt.

Man mag einwenden, dass das von der Regisseurin verfasste Drehbuch auf den ersten Seiten zu plakativ die Kontraste zwischen Romy und Richard herausarbeitet. Während sich der Eine nicht recht bei der Wahl des Sandwichbrotes entscheiden kann, bevorzugt die Andere es die Wahl zu haben. So kommt es wie es kommen muss, zum Eklat und damit fängt der eigentliche Film an, der von der Reise einer Frau zu sich selbst handelt und vom Genrekino und dessen Vorliebe für den schweigsamen Cowboy und „das leichtfüßig über die Erde tanzende Mädchen“ erzählt. Zum Glück findet der Film dabei immer wieder Möglichkeiten den Filmkonventionen glaubwürdige Haken zu schlagen.

Während es unendlich viele Filme gibt, die den letzten Versuch eine Ehe zu retten und die anschließende Reise zu sich selbst verhandeln, beeindruckt an SKY wie atmosphärisch stimmig er fotografiert ist. Die Kamerafrau Nathalie Durand verantwortete mit sparsamen Mitteln eine elegante Bildgestaltung und arbeitete in den Tagessequenzen ausschließlich mit natürlichem Licht. Nach einem psychologisch holprigen Einstieg in den Film, der zudem mit reichlich Filmzitaten gespickt ist, entfaltet sich SKY dann doch recht wendungsreich und entwickelt dank seiner charismatischen Schauspieler Diana Kruger und Norman Reedus (und ihres teilweise improvisierten Schauspiels) einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Krugers Mischung aus Melancholie und Glamour fügt sich dabei ideal in den Film ein, in dem regelmäßig ihre Schönheit betont wird. Reflexartig beteuern Nebenfiguren sie hätten noch nie eine so schöne Frau wie sie gesehen. Die meisten Nahaufnahmen entfallen daher auch auf Diane Kruger, deren Rollenname nicht von ungefähr Romy ist, wird sie doch stellenweise wie Romy Schneider in Zulawskis L’IMPORTANT C’EST D’AIMER – NACHTBLENDE geschminkt und fotografiert. Es heißt so oft ein Bild sagt mehr als tausend Worte und auch hier wiegt ein Einzelbild schwerer als zehn Dialoge. Ein Frame entfaltet in SKY eine besonders magische Schönheit; es ist erneut ein Close Up der Aktrice und zeigt sie mit Perücke und glitzerndem Lidschatten in einer leichten Untersicht, wie sie vor der Marquise eines Kinos (oder in Las Vegas wahrscheinlicher: eines Casinos) aus der Nacht in den Morgen entflieht.

Während der Film visuell bestechend erzählt ist, hätten manche der Dialoge noch geschliffen werden können. Andere muten trotz des Pathos‘ der Situation, vor allem, wenn sie von Norman Reedus in bester John Wayne-Manier vortragen werden, weder kitschig noch pathetisch an. SKY – DER HIMMEL IN MIR ist ein französisch-deutscher Independentfilm und startet bundesweit am 9. Juni. Es handelt sich um die dritte Zusammenarbeit der französischen Regisseurin Fabienne Berthaud mit dem vom ehemaligen Model zur Schauspielerin und Produzentin gereiften Diane Kruger.

Abschließend sollen noch zwei Facetten erwähnt werden: Bemerkenswert ist zum einen der ungewöhnlich zusammengesetzte Cast des Films, welches die Authentizität des Plots steigert; neben den Hauptdarstellern agieren Fernsehschauspieler wie Norman Redus von THE WALKING DEAD, Lena Dunham aus GIRLS und FRINGE-Joshua Jackson. Zum anderen punktet die Entscheidung auf konfektionierte durchkomponierte Filmmusik zugunsten einer homogenen Geräuschgestaltung zu verzichten und diese nur punktuell mit Liedern von Nick Cave oder François-Eudes Chanfrault zu durchbrechen.

Fazit: SKY ist ein audio-visuell berückender Film, der das Beste aus einem schwachen Drehbuch macht und dank guter schauspielerischer Leistungen überzeugt.

In Leipzig läuft SKY ab dem 9. Juni in den Passage Kinos.


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