von cinemaclaco
A COTTAGE ON DARTMOOR (Anthony Asquith, GB 1929)
Dass Barbiere gut aussehen, aber keinen roten Heller in der Tasche haben, weiß Sally nur zu gut und lässt sich auf die Avancen ihres Kollegen erst gar nicht ein. Die junge Maniküristin gibt ihm sodann auch einen Korb, als er sie ins örtliche Kino in einen Talkie (erste Tonfilme gegen Ende der Stummfilmzeit) einlädt. Lieber geht sie mit einem grobschlächtigen Bauern ins Lichtspielhaus, denn der ist solide und zeigt ihr auch Fotos seines neuerworbenen Cottages in Dartmoor. Der Plot ist recht einfach: Ein Barbier versucht den Bauern zu töten, der bei „seinem“ Mädchen erfolgreich war. Aber was Anthony Asquith, Freund und Leser von Marcel Proust, aus dieser Eifersuchtsgeschichte macht, erinnert an Prousts Swann und seine Befürchtungen in Bezug auf die von ihm verehrte Odette. Und auch stilistisch ist der Film sehr innovativ: von den UFA-Regisseuren hat Asquith die expressionistische Lichtgestaltung und die subjektive Kamera übernommen; die Montagesequenzen hat er von seinem großen Idol, dem Meister Sergej Eisenstein abgeschaut und bei Rückblenden fackelt er nicht lange, indem er sie durch Weichzeichner und Kameralinsen signalisiert, sondern springt nach einem Schnitt oder einer Texttafel sofort in die andere Zeitebene. Zu den schönsten Sequenzen des Films zählen jene im Schönheitssalon: Die Angestellten, wie sie in ihren weißen Kitteln um die Klienten herumtänzeln und mit für heutige Augen altmodischen, fast schon rätselhaften Gerätschaften hantieren und dabei den typischen Smalltalk abhalten, der in Montagesequenzen sehr humorvoll visualisiert ist. Anders als Hitchcock überfrachtet Asquith die Leinwand auch nicht mit Zwischentiteln, sondern kommt mit verhältnismäßig wenigen Texttafeln aus.

Asquith, Sohn eines Premierministers und von Lady Oxford, hatte in Oxford studiert und dort die illustre Film Society, zu deren Mitgliedern H.G. Wells und Georg Bernard Shaw zählten, gegründet. Er war ein Mann von Welt. Guten Geschmack hatte er und noch besseren Filmgeschmack. Doch was noch wesentlicher ist, Asquith bekundete in seinem frühen Werk ein großes Vertrauen in die Bilder. Sein dritter Spielfilm sollte sein letzter Stummfilm sein: A COTTAGE ON DARTMOOR kam 1929 in zwei Versionen in die Kinos: Als Stummfilm und als near talkie, also in einer Version, in der die Kinosituation mit dem damals neuartigen Tobis Klangsystem vertont worden ist. Diese Variante des Films ist leider nicht erhalten, aber auch die Stummfilmversion ist allemal faszinierender als jeder Hitchcockfilm aus der selben Zeit. Deswegen wird über A COTTAGE ON DARTMOOR auch gesagt der Film „out-Hitchcocks Hitchcock“.
A COTTAGE ON DARTMOOR wird am 29.12.2018 um 18:00 Uhr im Grassimuseum aufgeführt und live an der Welteorgel begleitet.
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